Linda Lael Miller
sie
hier?«
Gabe
erinnerte sich an das Handtuch um seinen Nacken und benutzte es. »Meine Frau
ist anderswo beschäftigt«, sagte er mit Betonung auf den ersten beiden Worten.
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
»Das glaube
ich nicht«, erwiderte Braithewait. Er wirkte jetzt besorgt, was Gabe eine
gewisse Genugtuung verschaffte. »So ein Pech. Ich habe diesen weiten Weg
gemacht, weil ich fest davon überzeugt war, daß Annabel – Mrs. McKeige –
inzwischen längst geschieden wäre. Sie hat jahrelang von nichts anderem
gesprochen.«
Charlie
erschien jetzt mit ärgerlicher Miene in der Tür. Aber Gabe wußte, daß er kam,
um den Fremden zu beschützen, nicht ihn.
»Ich fürchte,
daß es keine Scheidung geben wird«, erklärte Gabe gelassen. War es möglich, daß
Annabel dieses Greenhorn zu heiraten gedachte? Hoffte sie, von einem solchen
Schwächling die Babys zu bekommen, die sie sich angeblich wünschte?
Braithewait
wippte auf den Absätzen und wirkte ausgesprochen selbstgefällig. Gabe dachte,
daß man jemanden, der es wagte, einen Mann herauszufordern, der doppelt so
groß war wie er selbst – und den er zudem nicht kannte –, nicht unterschätzen
durfte. Dieser Mann war entweder verrückt, ein Krimineller oder tapfer bis zur
Selbstaufgabe.
»Das würde
ich lieber von Annabel persönlich hören, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte
dieser aufgeblasene Spinner. Er hatte rehbraunes, glatt zurückgekämmtes Haar
und Ohren wie die Henkel einer Kaffeetasse, und Gabe konnte sich beim besten
Willen nicht vorstellen, was seine Frau – oder irgendeine andere Frau – an ihm
finden mochte.
Charlie kam
heraus und reichte Gabe ein frisches Hemd. Seine braunen Augen drückten eine
stumme Warnung aus. Die Hunde, die Gabe zur Vorderfront des Hauses gefolgt
waren, lagen in der Nähe und knurrten den Besucher an.
Braithewait
bedachte sie mit einem breiten und ganz und gar boshaften Lächeln. »Unnütze
Viecher«, sagte er fröhlich. »Es ist bald vorbei mit euch, ob es Annabel paßt
oder nicht.«
In
aufrichtiger Verblüffung runzelte Gabe die Stirn. »Reden wir hier von derselben
Frau?« fragte er.
Darüber
mußte sogar Charlie lachen – Charlie, der buchstäblich niemals lachte. Gabe
machte sich jedoch keine Illusionen, daß sein Freund ihm die Beleidigung
vergeben hatte, ganz gleich, worin sie auch bestanden haben mochte. Die Wege
des Indianers, wie die des Allmächtigen, waren meistens unergründlich.
»Annabel
Latham-McKeige«, sagte Braithewait. »Meine zukünftige Ehefrau und Herrin meines
Besitzes.«
Gabe trat
unwillkürlich einen Schritt auf den Engländer zu, aber Charlie hielt ihn mit
einem vielsagenden Blick zurück.
»Nehmen Sie
Platz, Mr. Braithewait«, sagte der Indianer, förmlich wie ein Butler in einem
dieser vornehmen Häuser, die Annabel so sehr zu lieben schien, und deutete auf
die Schaukel. »Ich bringe Ihnen Tee.«
»Vielen
Dank, aber ich hätte lieber einen Brandy«, antwortete Braithewait und nahm
seufzend den angebotenen Platz ein. Dann richtete er einen fragenden Blick auf
Gabe. »Ich nehme nicht an, daß Sie zufällig einen Rancharbeiter brauchen? Nur
vorübergehend, meine ich? Ich bin momentan ein bißchen knapp bei Kasse, und da
ich mich hier nicht an meine Bank wenden kann ...«
So, dachte
Gabe, das ist es also. Die kleine Ratte war hinter Annabels Vermögen her. Die
Entdeckung mißfiel ihm gar nicht mal sehr, obwohl sie natürlich nicht gerade
dazu beitrug, seine Meinung über Jeffrey Braithewait zu verbessern.
»Sie werden
sehen, daß ich ein guter Reiter bin«, beharrte Braithewait, als Gabriel nichts
erwiderte. »Und natürlich auch ein guter Schütze.«
Es wäre gar
keine schlechte Idee, dachte Gabe, diesen Spinner im Auge zu behalten, und es
war anzunehmen, daß das Bündnis Annabels ausgeprägten Sinn für
gesellschaftliche Umgangsformen verletzen würde. Lächelnd reichte er dem Engländer
die Hand. »Gehen Sie und suchen Sie den Vorarbeiter, wenn Sie Ihren Brandy
hatten«, sagte er. »Sie sind eingestellt.«
Jeffrey
wirkte zunächst ein wenig überrascht, doch dann ergriff er Gabes Hand und
besiegelte das Abkommen.
Als Charlie
kurz darauf mit dem Brandy kam, warf Gabe ihm das Handtuch auf eine Weise zu,
die ihn verärgern mußte, bevor er sich wortlos abwandte und zur Scheune ging,
um sein Pferd zu holen. Er schwang sich in den Sattel, ohne zu bemerken, daß
sein Hemd noch gar nicht richtig zugeknöpft war und das Wasser noch aus seinen
Haaren tropfte. Sein
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