Linda Lael Miller
einziger Gedanke war, Annabel zu suchen, und er hatte auch
schon so eine Idee, wo er sie finden würde.
Jessie war fort, und Mr. Hilditch war
irgendwohin gegangen, wahrscheinlich in den Samhill Saloon, als ein wütendes
Klopfen an der Tür ertönte.
Annabel,
die den Boden in dem großen Schlafzimmer im ersten Stock gescheuert hatte,
schloß die Augen, als sie den Lärm vernahm. Das konnte nur Gabriel
sein. Niemand sonst auf dieser Welt hatte genug Interesse an ihr, um sich
derart aufzuregen.
Seufzend
richtete sie sich auf und warf einen unglücklichen Blick auf ihr schmutziges
Kleid und ihre Schürze, um dann so majestätisch die Treppe hinabzusteigen, als
wäre sie die Herrin eines prächtigen Landsitzes.
Gabriel
schien gerade im Begriff zu sein, die Tür einzuschlagen, als Annabel sie
öffnete. Er war sehr unordentlich gekleidet, sein Haar, das sonst so hübsch
gewellt war, fiel glatt nach hinten wie mit Pomade festgeklebt, und seine Haut
war fleckig, als hätte er im Schlamm gebadet.
Erschrocken
legte sie eine Hand an ihre Brust. »Um Gottes willen, Gabriel ...«
Er stürmte
an ihr vorbei und stieß krachend die Tür mit seinem Stiefelabsatz zu.
»Ich werde
dich nicht fragen, was du hier machst, Annabel«, knurrte er »weil ich weiß, daß
du sagen wirst, du richtest dich hier ein. Ich schätze, es gibt nichts, was ich
tun könnte, um dich daran zu hindern, außer, dich an den Haaren
heimzuschleifen, aber eins sage ich dir – falls du vorhast, in diesem Hause
Männer zu empfangen, werde ich ...«
Er hatte
Annabel soweit zur Treppe zurückgedrängt, bis sie mit dem Rücken an dem
Geländerpfosten stand und seine Nase nur noch Millimeter von ihrer entfernt
war.
»Wirst du
was?« fragte sie und stützte angriffslustig die Hände in die Hüften. Bei
Gabriel nützte es nichts, sich in die Defensive zu begeben – nur die Offensive
bot ein wenig Hoffnung auf Erfolg. »Was wirst du dann tun, Gabriel?«
Sein Blut
war derart in Wallung geraten, daß sie die Hitze seines Körpers auf ihren
eigenen übergehen spürte. Seine Augen funkelten wie Saphire in der
Mittagssonne, und sie sah, daß eine Ader an seiner rechten Schläfe so heftig
pochte, als ob sie jeden Augenblick platzen müsse.
»Ich werde
...« begann er wütend und brach dann wieder ab. Im nächsten Augenblick packte
er Annabel an den Schultern und zog sie auf die Zehenspitzen. Sein Mund
preßte sich auf ihren, nahm ihre Lippen in Besitz und hatte sie erobert, bevor
sie auch nur den leisesten Protest erheben konnte.
Sie
wimmerte, versuchte aber nicht, sich loszureißen. Tatsächlich kam ihr der
Gedanke nicht einmal. Sie war Gabriels Küssen schon immer hilflos ausgeliefert
gewesen, ganz gleich, wie unangebracht sie waren oder wie unpassend die
Umstände, unter denen er sie küßte.
Als Gabriel
sie endlich freigab, rang er nach Atem.
Annabel
wäre wohl gestürzt, so kraftlos waren plötzlich ihre Knie, wenn er sie nicht
immer noch an den Schultern festgehalten hätte.
»Gabriel«,
wisperte sie, und der Name klang wie eine flehentliche Bitte und ein Protest
zugleich.
Er hob sie
auf die Arme und begann die Treppe hinaufzugehen, wobei er ihr unablässig in
die Augen schaute, als wäre er wie hypnotisiert von ihr. Daß Gabriel Jeffrey
Braithewait getroffen hatte und nun einen primitiven Besitzanspruch auf sie
anmeldete, so wie ein Wolf oder ein wilder Hengst seine Gefährtin
kennzeichnete, als Warnung für Rivalen, dessen war sich Annabel ganz sicher.
Und sie wußte auch, daß sie nicht in der Lage war, ihn daran zu hindern.
Im oberen
Stockwerk war es schattig und kühl. Und niemand würde sie hier stören.
Gabriel
küßte sie noch einmal, von wilder Leidenschaft erfüllt.
»Ich ... es
sind noch keine Betten da«, murmelte sie mit Lippen, die bereits geschwollen
waren von seinen Küssen, als er sich für einen Moment zurückzog, um Luft zu
holen.
»Wir
brauchen kein Bett«, sagte er und zog ihre Röcke hoch, um seine Hände um ihre
schmale Taille zu legen.
»Nein«,
stimmte sie betrübt und zugleich freudig zu. Ihr Körper glühte wie im Fieber,
ein süßer Schmerz durchzuckte ihre Glieder. Sie schlang die Arme um Gabriels
Nacken und wußte, daß sie ihn später verfluchen würde – und sich selbst , als
sie leidenschaftlich seine Lippen in Besitz nahm und ihn genauso fordernd
küßte, wie er es zuvor bei ihr getan hatte.
Stöhnend
preßte er sie an die Wand des schmalen Korridors, und sie spürte die Hitze und
Macht seiner Erregung durch ihr
Weitere Kostenlose Bücher