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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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es hier Ratten geben könnte.«
    »Du
könntest doch bei Tante Jessie schlafen«, schlug er vor, als sie in die Küche
gingen. Er wollte Annabel nicht in die Arme seines Vaters treiben; sie waren
beide stur, und zuviel Druck von außen würde vielleicht genau das Gegenteil
bewirken.
    Mit Eltern,
dachte er, muß man vorsichtig umgehen – wie mit verwundeten Stachelschweinen
oder Klapperschlangen, die ihren Winterschlaf hielten. Er würde sie einfach in
Ruhe lassen, sie so oft wie möglich zusammenbringen und sie glauben lassen, es
sei ihre Idee gewesen.
    Die
geborgte Pfanne klapperte leise, als Nicholas sie auf den Herd setzte. Annabel
hatte Tee aufgebrüht, so daß noch Feuer in dem Herd war, es mußte nur ein
wenig geschürt werden.
    Geschickt
legte Nicholas trockene Zweige aus der großen Holzkiste auf der Hintertreppe
nach und fügte dann noch einige Holzscheite hinzu. Die Zweige brannten sofort
an, und bald war die Ofenplatte glühend heiß.
    Annabel sah
richtig glücklich aus. »Du hast in deinen Briefen nie etwas davon erwähnt, daß
du kochen kannst«, meinte sie. Sie zündete noch mehr Lampen an und suchte in
einem Karton mit Lebensmitteln, bis sie ein Päckchen Schmalz fand.
    »Das wäre
auch gelogen gewesen, Annabel. Ich kann nur Forellen zubereiten.«
    Sie trat
ein bißchen näher und schaute nervös zu den Schatten auf, die sich an der Decke
sammelten. »Du hast auch nichts von dem Mord geschrieben, der hier in diesem
Haus geschah.«
    Er grinste,
gab Schmalz in die Pfanne und sah zu, wie es sich zu einem klaren,
durchsichtigen Öl auflöste. »Es war ziemlich grotesk«, antwortete er. »Als
Lesestoff für eine Dame nicht geeignet.«
    Annabel
erschauderte. »Nicholas, du wirst mir jetzt erzählen, was hier vorgefallen ist.
Auf der Stelle!«
    Er lachte.
»Mrs. Jennings Mann kam eines Abends spät nach Hause, und sie hat ihn mit einem
doppelläufigen Gewehr erschossen, direkt hier bei der Tür.« Mit Jessies
Pfannenlöffel, den er ebenfalls hatte mitgehen lassen, deutete er auf die
Stelle. »Er ist noch auf der Schwelle gestorben, der alte J. T., mit dem
Gesicht in seinem eigenen ... nun ja, mit dem Gesicht nach unten eben.«
    Sichtlich
entsetzt, riß Annabel die Augen auf. Die Idee, die Nacht auf der Ranch zu
verbringen, erschien ihr von Augenblick zu Augenblick verlockender. »Warum hat
sie ihn erschossen?«
    Nicholas
zuckte mit den Schultern. »Sie behauptete, sie habe gedacht, er sei ein
Einbrecher, der gekommen war, um ihren Schmuck zu stehlen. Es war stockfinster
draußen, weshalb es also durchaus möglich ist, daß sie die Wahrheit sagte.«
    »Was ist
aus ihr geworden?«
    Er ließ
sich Zeit für seine Antwort. Es war eine Geschichte, die er gern erzählte, und
wann immer er es tat, machte er sie so spannend wie nur möglich. Später würde
er dann zugeben, daß er sich praktisch jedes Wort nur ausgedacht hatte.
    Er spülte
die Forellen unter der rostigen Pumpe am Spülbecken ab und legte sie dann in
die Pfanne. »Sie wurde verurteilt und gehängt – an dieser großen alten Eiche
auf dem Pfarrhof.«
    Annabels
Augen wurden rund wie die Pfanne. »Nein!«
    Er nickte
ernst. »Ja.« Er sprach leise und achtete darauf, sie nicht zu erschrecken.
Seine Mutter war keine dumme Frau, aber sie war müde, es war besonders finster
heute nacht, und sobald er fort war, würde sie allein in einem fremden und fast
leeren Haus sein. »Manche sagen, sie hätten eines Abends eine Gestalt von einem
Ast dieses Baumes baumeln sehen und ein schreckliches, jammerndes Geräusch
gehört.«
    Annabel
versetzte ihm einen harten Stoß. »Du Schuft!« rief sie und sah jetzt noch mehr
wie ein junges Mädchen aus als vorhin. »Du sagst das nur, um mich zu
erschrecken!«
    Impulsiv
beugte er sich vor und küßte ihre Stirn. »Na ja, vielleicht habe ich ein
bißchen übertrieben«, gab er zu. »Aber so oder so brauchst du dich nicht zu
sorgen. Wenn irgend jemand in diesem Haus herumspukt, kann
es nur der arme alte J. T. sein. Immerhin war er das Opfer.«
    »Du bist
ein Schuft«, wiederholte sie, aber ihre Augen glänzten, und ihre Haut wirkte
fast durchsichtig in dem schwachen Licht. Sie war schön, seine Mutter, und er,
Nicholas der kleine Junge, und Nicholas der Mann, bedauerte jeden Tag, den sie
getrennt verbracht hatten.
    Irgendwann
würden sie sich hinsetzen und reden müssen, er und Annabel, über all diese
Jahre zwischen seiner Abreise aus Boston und ihrer Rückkehr nach Parable, aber
heute nacht, in dieser kahlen Küche mit der

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