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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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verlassen hatte, und es
war einfach herrlich,
die kleine Stute zu einem flotten Trab anzutreiben und
dann in gestrecktem Galopp durchs hohe Gras zu jagen. Mit ihrem Sohn an ihrer
Seite war ihr Glück
vollkommen. Mit diesem Sohn, dem sie törichterweise erlaubt hatte, sie zu
verlassen, und den sie in all diesen Jahren so verzweifelt vermißt hatte, wie
nur eine Mutter ihr Kind vermissen konnte.
    Nach einer
Weile ließen sie ihre Pferde wieder im Schritt gehen, und Nicholas schob seinen
Hut in den Nacken, um
ihn gleich darauf wieder in die Stirn zu ziehen.
Wenn er vorhin, als Annabel ihn nach seinen Ausflügen in die Berge gefragt
hatte, ärgerlich geworden
war, so pfiff er jetzt ein munteres Liedchen, und seine blauen Augen, die
Gabriels so ähnlich waren, funkelten vor Vergnügen.
    Annabel
erkannte mit erschütternder Klarheit, was dieses Land für Nicholas bedeutete –
daß er zu ihm gehörte
wie das letzte Stückchen eines Puzzles; wie der blaue Himmel über ihnen oder
der ewige Schnee, der auf den Bergen lag. Wenn er über diese weiten Felder und
grünen Hügel ritt, auf den zu Hunderten
die Rinder seines Vaters grasten, dann war er wie ein Prinz, der das Königreich
bewachte, das eines Tages sein eigenes sein würde.
    Wie ist es
nur möglich, fragte sich Annabel, daß ich ihn unter meinem Herzen getragen
habe, ihn bis zum siebten Lebensjahr erzogen und in all diesen langen, bitteren
Jahren seine Briefe gelesen habe, bis sie auseinanderfielen, und trotzdem so
wenig über diesen Jungen weiß?
    Nicholas
hörte auf zu pfeifen. Wahrscheinlich hatte er ihren Gesichtsausdruck bemerkt.
»Ich nehme an, du möchtest jetzt die Unterhaltung fortsetzen, die wir auf der
Koppel begonnen hatten«, sagte er und ließ in stiller Resignation die Schultern
hängen.
    Annabel
wäre vielleicht amüsiert gewesen, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre.
Wenn auch nur die Hälfte dessen stimmte, was sie gehört hatte, stand Nicholas'
Leben auf dem Spiel.
    Sie beugte
sich vor und klopfte den Hals der kleinen Stute, weil sie Zeit gewinnen
wollte, um sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Aber keine Eingebung
belohnte ihre Taktik. Wahrscheinlich gab es gar keine richtigen Worte –
nur offenherzige und direkte, die ihn ganz gewiß in Zorn versetzen würden.
    »Es gehen
Gerüchte um, Nicholas«, begann sie tapfer, um gleich darauf wieder zu
verstummen. Es muß ein Irrtum sein, was die Leute reden, dachte sie. Dennoch
stand Nicholas' Leben auf dem Spiel, und deshalb durfte sie nicht das Risiko
eingehen, sich selbst zu täuschen. Sie hatte schon ein Kind verloren; sie würde
nicht zulassen, daß ihr auch das andere genommen wurde.
    Er zog eine
Braue hoch, sagte aber nichts, saß nur schweigend da und schaute sie an, eine
Spur herausfordernd
vielleicht, während er darauf wartete, daß sie fortfuhr.
    Annabel
hielt dem Blick ihres Sohnes ruhig stand, obwohl sie sehr nervös war und sogar
ein bißchen Übelkeit verspürte. Sorgen hatten diesen Effekt auf sie, vor allem,
wenn Nicholas der Anlaß dazu war; er, sogar noch mehr als Gabriel, war ihre
Achillesferse, die schwache Stelle in ihrer
Rüstung. »Hat Captain Sommervale Grund zu seiner Vermutung, daß du etwas mit
diesem Viehdiebstahl zu schaffen hast?«
    Nicholas
erhob den Blick zum Himmel wie einPrediger; seine Profil war hart und unbewegt.
Ein langer Moment verstrich, bevor er Annabel wieder anschaute, und als er
endlich etwas sagte, durchfuhr seine Antwort sie wie die Spitze eines scharfen
Schwerts. »Was kümmert dich das?« entgegnete er.
    Annabel
fuhr zusammen – das konnte sie nicht verhindern –, aber sie dachte nicht daran,
sich einschüchtern zu lassen. Nicholas hatte nicht all seine
Willenskraft von Gabriel; einen sehr beachtlichen Anteil dieser Stärke hatte er
auch von ihr.
    »Es kümmert
mich, Nicholas«, erwiderte sie ruhig. »Ich bin deine Mutter, und ich habe dich
sehr lieb.«
    »Die
Antwort darauf kann ich mir wohl sparen.«
    »Das ist
sehr weise von dir, junger Mann. Denn dann brauche ich dich wenigstens nicht
mit meiner Reitpeitsche zu schlagen.«
    »Du hast
doch gar keine Reitpeitsche dabei.«
    »Das war nur bildlich gemeint, Nicholas.
Ein ganz normaler Stock würde auch genügen.«
    Plötzlich
war der ganze Zorn, den er in all den Jahren ihrer Trennung unterdrückt hatte,
deutlich in seinem Gesicht zu sehen. Annabel begriff, daß sie den wahren
Nicholas nicht einmal annäherungsweise kannte, und war betroffen und beschämt.
    »Warum bist
du nicht

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