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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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zurückgekommen?« fragte er, ohne die Stimme zu erheben. Aber das war
auch gar nicht nötig, denn seine Frage schien wie Donner in alle Richtungen zu
schallen und dann wie ein allumfassendes Echo zu Annabel zurückzukehren. »Warum?«
    Annabel
schloß für einen Moment die Augen und sammelte ihre ganze Kraft und
Selbstbeherrschung. »Es gab Probleme, Nicholas. Dinge, die du nicht verstanden
hättest.«
    »Oh, keine
Angst, ich habe sie sogar sehr gut verstanden!« versetzte er. »Du hast um
Susie getrauert. Aber Pa auch, und Gott weiß, wie sehr sie mir fehlte.«
Ein feuchter Glanz erschien in seinen Augen, und er blinzelte rasch, um seine
Tränen zu verdrängen. »Du dachtest, Julia Sermon wäre Pas Geliebte; vielleicht
denkst du es sogar heute noch. Und das Teuflische daran ist, daß du dich damals
schon geirrt hattest und dich auch jetzt noch irrst. Aber ich habe den Preis
für deinen dummen Stolz bezahlt, und auch für den Stolz von Pa. Ich habe
ihn bezahlt, Mutter.«
    Annabel
hatte sich danach gesehnt, ihn das Wort > Mutter < aussprechen zu hören,
aber nicht auf diese Weise. Nicht mit solcher Verachtung, mit solchem Zorn und
solcher Trauer. Denn all das hörte sie in seiner Stimme, und sie wunderte
sich, daß er diese Gefühle bisher so gut vor ihr verborgen hatte und seit ihrer
Ankunft auf der Ranch höflich und sogar liebevoll zu ihr gewesen war.
    Als er
seinen Wallach zu einer schnelleren Gangart antrieb, vermutlich mit der
Absicht, sie für eine Weile loszuwerden, paßte Annabel sich seinem Tempo an.
Aber ihre Stute war seinem Wallach nicht gewachsen; falls Nicholas beschloß,
sich von ihr zu entfernen,
würde ihr eigenes Pferd sehr rasch zurückfallen. Sie mußte sich beeilen, wenn
sie mit ihm reden wollte.
    »Du hast
recht, Nicholas«, sagte sie. »Zumindest mit dem Vorwurf, dein Vater und ich
wären zu sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt gewesen und hätten uns
zu wenig um dich gekümmert – mein Stolz war schon immer mein schlimmster
Fehler, genau wie bei deinem Vater. Bitte, Nicholas, laß nicht zu, daß er auch
dir zum Verhängnis wird.«
    Nicholas
zügelte seinen Wallach, aber es war ein äußerst unwilliges Entgegenkommen, das
ihn sehr viel Willenskraft zu kosten schien. »Laß es gut sein, Annabel«, sagte
er rauh. »Es ist sowieso zu spät.«
    »Zu spät?«
erwiderte sie entrüstet. »Nicholas, du bist erst neunzehn Jahre alt! Obwohl dir
das von deinem Standpunkt aus sehr alt erscheinen mag, ist es noch gar nicht
lange her, daß du kurze Hosen getragen hast. Du hast noch viele Möglichkeiten
– so viele! Du wärst ein Narr, wenn du sie wegwirfst!«
    Nicholas
dachte in mürrischem Schweigen über ihre Worte nach, bevor er zum nächsten Hieb
ausholte. »So wie du?« fragte er.
    Tränen
brannten hinter ihren Lidern, aber sie dachte nicht daran, sie zu vergießen –
zumindest nicht, während Nicholas oder jemand anderer sie sehen konnte. »Wie
ich«, bestätigte sie. »Hör zu, ich weiß, daß du mir jetzt nicht glauben wirst,
aber eines Tages wirst du es vielleicht tun, wenn du das Glück hast, ein
eigenes Kind zu haben. Ich würde mich lieber ins Gefängnis sperren oder hängen
lassen, als mit anzusehen, wie man dir so etwas antut. Und ich werde
kämpfen, Nicholas, bis zum letzten Atemzug, um dich davor zu bewahren. Ich
werde mich gegen die gesamte Kavallerie der Vereinigten Staaten stellen, wenn
es nötig ist, gegen die Banditen, mit denen du dich herumtreibst, und gegen
sämtliche Engel im Himmel und Teufel in der Hölle, auf Gedeih und Verderb und
mit und ohne deinen Segen. Denk darüber, was du willst. Ich bin zu verzweifelt,
um mich daran zu stören.«
    Nicholas
biß sich auf die Unterlippe und starrte geradeaus, und Annabel hätte alles, was
sie besaß, dafür gegeben, um zu erfahren, was für Gedanken ihn in diesem
Augenblick bewegten.
    »Wo war all
diese Leidenschaft, als ich acht war – und neun und zehn?« fragte er
schließlich.
    »Oh, sie
war da, genauso stark wie heute. Ich wollte dich aufziehen und jeden Tag und
jede Sekunde deines Lebens für dich da sein. Aber du mußtest ja unbedingt
hierher zurückkehren, nicht?«
    »Ich
dachte, du würdest nachkommen«, erwiderte er schlicht, und es lag soviel
spontane Ehrlichkeit in seinen Worten, daß Annabel sich fragte, ob es nicht das
erste Mal in seinem Leben war, daß er überhaupt darüber sprach.
    »Ich
wünschte, ich hätte es getan«, erwiderte sie, »aber ich hatte meine eigenen
Dämonen zu bekämpfen. Ich wollte, daß

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