Linda Lael Miller
Sandwich,
während sie auf eine Antwort der sichtlich verlegenen Jessie wartete.
»Nun, weil
ich dann meine Freiheit aufgeben müßte«, sagte diese schließlich und preßte in
einer seltsam theatralischen Geste die Hand auf ihre Brust.
Olivia zog
eine Augenbraue hoch. Was immer auch mit Nicholas geschah, sie hatte nicht die
Absicht, ihren Lehrerinnenposten aufzugeben, solange sie nicht offiziell
entlassen wurde. Was allerdings durchaus geschehen konnte angesichts der
Vorurteile, die gegen verheiratete Lehrerinnen herrschten.
Verheiratete
Lehrerinnen? Erwartete sie etwa allen Ernstes, daß Nicholas sie heiraten würde?
Ja, dachte
Olivia, genau das erwarte ich – obwohl ich selbst nicht weiß, warum.
»Ihre
Freiheit aufgeben?« fragte sie nach einem Schluck Tee. »Was tun Sie denn jetzt,
was Sie nicht mehr tun könnten, wenn Sie mit Mr. Wellingford verheiratet
wären?«
Jessies
Wangen glühten immer noch, was sie jedoch höchstens noch schöner machte. »Nun
ja ... angenommen, ich wollte auf Reisen gehen – auf eine Weltreise zum
Beispiel. Mr. Wellingford liebt seine Arbeit und würde sie sicher nicht für
eine so lange Reise aufgeben wollen.«
»Hat er
Ihnen das gesagt?« fragte Olivia zwischen zwei Bissen. Sie hatte sehr wenig
gegessen und war wie ausgehungert.
»Nun ja ...
nein, nein, natürlich nicht. Mr. Wellingford ist ein Angestellter meines
Bruders. Wir haben nie von Reisen gesprochen, ganz zu schweigen davon zu
heiraten.«
Olivia
schürzte einen Moment nachdenklich die Lippen. »Dann halten Sie ihn also nicht
für standesgemäß? Weil er für Mr. McKeige arbeitet?«
Jessies
Augen blitzten in gerechtem Zorn. »Keineswegs!« versetzte sie. »Alexander ist
ein gebildeter Mann. Er hat in Harvard studiert, und ich habe schon einige sehr
interessante Unterhaltungen über Poesie mit ihm geführt.«
Olivia
lächelte. »Ah«, meinte sie.
Jessies
Wangen glühten vor Empörung, aber ihr ärgerlicher Blick wich bald schon einem
Ausdruck plötzlicher Erkenntnis. »Vielleicht wären Sie Nicholas ja doch
gewachsen«, sagte sie plötzlich. »Sie besitzen seine Fähigkeit, von den Themen
abzulenken, die Ihnen unangenehm sind.«
Olivia
schaute auf das Buch herab, in dem der kleine Nicholas sich verewigt hatte, und
all ihre Zweifel und Bedenken kehrten mit einem Schlag zurück. »Ich werde Ihren
Rat beherzigen«, versprach sie und senkte für einen Moment den Blick, um Mut zu
sammeln. »Ich muß allerdings gestehen, daß ich wünschte, Nicholas wäre älter.«
Jessie, die
erkannte, daß der Lunch vorüber war, begann die Reste einzusammeln und
verstaute alles in ihrem Korb. »Anstatt zu wünschen, daß Sie jünger
wären?« fragte sie, nicht unfreundlich.
Olivia
seufzte. »Ich fühle mich weder alt noch jung«, sagte sie. »Ich fühle mich wie
ich selbst und hatte nie den Ehrgeiz, etwas anderes zu sein.«
Jessie
lächelte traurig und griff nach dem Korb, als sie sich von ihrem Stuhl erhob.
»Ich habe Ihnen geraten, vorsichtig zu sein, und diesen Rat auch selbst viele
Jahre lang befolgt. Komisch, nicht, daß ich mich bisher nie gefragt habe, ob
diese Vorsicht wirklich ratsam ist?« Sie streckte die Hand aus und berührte
Olivias Hand, die noch immer auf Nicholas' längst vergessenem Schulbuch lag.
»Was ist das Leben schon ohne Risiko, ohne Leidenschaft und ohne Schmerz und
Freude?«
»Nichts«,
erwiderte Olivia und dachte an Nicholas, der in irgendeiner geheimnisvollen
Mission eine ganze Woche unterwegs sein würde und ihr jetzt schon fehlte.
»Überhaupt nichts.«
Wie
Gabriel erwachte
auch Annabel schon vor dem Morgengrauen. Sie lagen in dem rot und weiß
gestreiften kleinen Zelt, so dicht aneinandergeschmiegt zwischen zwei Decken,
daß sie wie eins erschienen.
Und dann
merkte Annabel plötzlich, daß es nicht nur so schien.
»Gabriel!«
protestierte sie, aber er umfaßte ihre Hüften und bewegte sich bereits in ihr.
In der
Ferne war das klagende Blöken der Kälber zu vernehmen und die schrillen Pfiffe
und Rufe der Cowboys, die die Herde schon für einen weiteren aufreibenden Tag
zusammentrieben. Das Lagerfeuer war angefacht worden, und der Duft von frisch
aufgebrühtem Kaffee drang verlockend durch die Zeltleinwand.
Annabel kam
sehr schnell zum Höhepunkt, und ausnahmsweise einmal, ohne einen Laut von sich
zu geben. Erschauernd lag sie unter Gabriel, und als sich seine Leidenschaft in
ihr entlud, preßte er seinen Mund auf ihren, um seine eigenen lustvollen
Schreie zu ersticken.
Als es
vorüber war,
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