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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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gerade weil –
sie sich so klein und unbedeutend vorkam. Sie wäre aufgestanden, wenn Jessie
ihr nicht mit einer Handbewegung zu verstehen gegeben hätte, sie solle
sitzenbleiben.
    Mit einem
erzwungenen Lächeln blieb Olivia sitzen, Nicholas' erstes Lesebuch unter ihrer
Hand wie eine Bibel. Ihr Herz klopfte so heftig, daß sie es in ihren eigenen
Ohren dröhnen hörte.
    »Ich habe
Ihnen einen kleinen Imbiß mitgebracht, Miss Drummond, da Sie ganz offenbar
nicht vorhatten, zum Essen heimzukehren.«
    Olivia
wußte nicht, was sie außer einem gemurmelten »Danke« dazu sagen sollte. Sie
war nicht so lebenserfahren wie diese Frau vor ihr, und dennoch war ihr klar, daß
es bei diesem Besuch um mehr ging als um Sandwiches und Tee.
    Jessie
setzte ihren Korb auf das Pult, schaute sich nach einem Stuhl um, entdeckte
einen in einer Ecke und zog ihn heran. Nachdem sie sehr sorgfältig ihre Röcke
zurechtgezogen und gezupft hatte, setzte Miss McKeige sich hin. »Also dann«,
sagte sie.
    Olivias
Magen verkrampfte sich. Jessie war gekommen, um sie fortzuschicken, fort von
diesem Ort, an dem sie so gern gelebt und unterrichtet hätte. Bestimmt würde
sie sie nach San Francisco zurückschicken, wahrscheinlich schon mit der
nächsten Postkutsche und ohne ihr ein Empfehlungsschreiben für die nächste
Stellung mitzugeben.
    Jessie
beugte sich leicht vor und schaute sie aus schmalen Augen an. »Großer Gott, Sie
sehen ja schrecklich aus – richtig grün um die Nase! Was haben Sie denn nur,
Miss Drummond?«
    Olivia
schluckte, aber die Wahrheit lag ihr schon auf der Zunge und war ausgesprochen,
bevor sie es verhindern konnte. »Ich ... ich will nicht, daß Sie mich
fortschicken.«
    »Fortschicken?«
wiederholte Jessie, als sei das Wort ihr völlig unbekannt. »Warum sollte ich
das tun, wenn Sie noch nicht einmal Gelegenheit hatten, Ihre Fähigkeiten zu
beweisen?« In offensichtlicher Verwirrung runzelte sie die Stirn. »Es stimmt
doch hoffentlich, was Sie in Ihrem Bewerbungsschreiben angaben? Daß Sie weder
im Gefängnis waren noch verheiratet sind?«
    Olivia
lachte, wenn auch eine Spur nervös. »Es ist alles wahr, was ich geschrieben
habe.«
    Jessie
strahlte, als ihr plötzlich die Erkenntnis kam, und lehnte sich auf ihrem
unbequemen Stuhl zurück. »Ah«, sagte sie. »Dann muß es wegen Nicholas und
seiner offensichtlichen Verliebtheit in Sie sein.«
    »Ja«,
erwiderte Olivia ein wenig ungläubig. Niemand, soweit sie wußte, war je in sie
verliebt gewesen; sie war immer ein Mauerblümchen gewe sen, zurückhaltend und
scheu. »Es ist wegen Nicholas.«
    »Der dumme
Junge«, meinte Jessie mit einem liebevollen Lächeln. »Ich hoffe, Sie werden
geduldig mit ihm sein, Miss Drummond. Er wird es überwinden, aber bevor es
soweit ist, wird nicht mit ihm zu reden sein. Nicholas ist zu sehr wie sein
Vater, wissen Sie. Und natürlich auch wie seine Mutter, die genauso eigensinnig
ist.«
    Olivia
wagte nicht zu sagen, daß sie Nicholas sehr anziehend fand und daß er für sie,
obwohl er nicht einmal zwanzig war, das Selbstvertrauen eines Mannes
ausstrahlte, der viel erfahrener und reifer war. Er erschien ihr klug und
wißbegierig, und er konnte sie mit einem bloßen Wort oder einem Blick zum
Lachen bringen – was allein schon Grund genug war, ihn zu lieben.
    Und da
waren natürlich auch noch seine körperlichen Vorzüge, die Olivias Herz
schneller schlagen ließen und ihr einen unruhigen Schlaf bescherten. Nicholas
hatte ihr intime Versprechungen gemacht, mit seinen Blicken und der Berührung
seiner starken Hand auf ihrer, die sie – möge Gott ihr beistehen – erfüllt und
eingehalten sehen wollte.
    Olivia
räusperte sich leise, nicht sicher, was sie auf Jessies Versicherung, Nicholas'
Interesse für sie werde bald schon nachlassen, erwidern sollte. Obwohl sie Miss
McKeige einerseits nicht belügen wollte, wollte sie andererseits auch nicht aus
Parable verbannt werden, weil sie unmoralische Gedanken hegte.
    »Ich bin
sehr gern in Nicholas' Gesellschaft«, räumte sie ein, während sie dachte, daß
dies die größte Untertreibung ihres ganzen Lebens war, und sie sich
sehr zusammennehmen mußte, um nicht zu erröten.
    Jessie, die
inzwischen den Korb geöffnet und an einer Seite des Pults ein Tischtuch
ausgebreitet hatte, nahm nun zwei kleine Porzellanteller heraus. »Ja«, sagte
sie versonnen. »Das habe ich schon bemerkt.«
    »Und Sie
sind hergekommen, um mich aufzufordern, mich von ihm fernzuhalten«, platzte
Olivia heraus, bevor sie es

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