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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dein für alle Ewigkeit
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verziertes Kruzifix, das einst Edwennas liebster Besitz gewesen war.
    Gloriana
sehnte sich nach dem Rat und Trost ihrer Adoptivmutter, wie so oft schon, seit
das Fieber die gute Frau und ihren Gatten dahingerafft hatte. Pater Cradoc
glaubte, daß Edwenna und Cyrus zusammen im Himmel waren, weil beide fromm
gewesen waren und das Paradies das letzte Ziel all jener war, die die Gebote
der Kirche einhielten – nach einem kurzen Besuch im Fegefeuer vielleicht, wo
sie Buße tun konnten, um die letzten Spuren ihrer Sünden auszulöschen.
    Liebevoll
berührte Gloriana die Füße der hölzernen Christusfigur. Sie mochte nicht daran
denken, daß die sanfte Edwenna oder Cyrus auch nur einen Moment im Fegefeuer
büßten, an diesem furchtbaren Ort, der fast so erschreckend war wie die Hölle
selbst. Ihren Stiefvater hatte Gloriana nicht besonders gut gekannt, weil er
selten daheim gewesen war, doch Edwenna war eine gute, gläubige Christin
gewesen und hatte die Gebote der Kirche sorgsam eingehalten. Selbst ein
eifersüchtiger und rachsüchtiger Gott hätte eine solche Frau doch ganz sicher
nicht gestraft!
    Mit
gesenktem Kopf murmelte Gloriana ein kurzes, aber tiefempfundenes Gebet für die
Seelen von Edwenna und Cyrus,
wusch dann ihr Gesicht und zog ihr grünes Wollkleid aus. Nachdem sie es
sorgfältig zusammengefaltet und in der richtigen Truhe untergebracht hatte,
blies sie die Kerze aus und stieg im Hemd ins Bett. Dort, unter den Decken, wie
man es sie gelehrt hatte, schlüpfte sie aus der Unterwäsche. Obwohl sie nie
begriffen hatte, warum sie sich mühsam unter der Decke auskleiden sollte,
selbst wenn sie allein im Zimmer war, vollzog sie dieses Ritual, weil der
Anstand es erforderte.
    In der
Dunkelheit ließ Gloriana endlich ihren Tränen freien Lauf. Sie hatte sich so
lange auf diese Nacht gefreut, in der sicheren Erwartung, sie in den liebenden
Armen ihres Gatten zu verbringen, von ihm gestreichelt, liebkost und
schließlich zur Frau gemacht zu werden. Sie hatte sogar gewagt, darauf zu
hoffen, daß sie schon in jener ersten Nacht ein Kind empfangen würde. Statt
dessen jedoch war sie nun allein, während Danes wahre Liebe unter demselben
Dach schlummerte und Gloriana selbst nichts anderes zu erwarten hatte als nach
der Morgenmesse eine Unterredung, die wer weiß was bringen mochte, in Elainas
Solarium.
    Obwohl
Gloriana überzeugt war, daß sie die ganze Nacht kein Auge zutun würde, schlief
sie innerhalb weniger Minuten ein und fand sich in einem Traum wieder, der sie
schon sehr lange nicht mehr heimgesucht hatte.
    Das
Fegefeuer ... vielleicht war sie im Fegefeuer, denn dies war ein lauter,
geschäftiger Ort, wo sich alles viel zu schnell bewegte und die Leute
eigenartige Kleider trugen und in einer Sprache redeten, die Gloriana nicht
verstehen konnte, obwohl sie ihr vertraut erschien. Im Traum war sie nicht
Gloriana St. Gregory, eine erwachsene Frau, sondern ein Kind namens Megan.
    Sie hielt
eine herrliche Puppe in den Armen und streifte verloren und allein durch die
Ruinen einer alten Abtei, auf der Suche nach jemandem, der anscheinend nicht
gefunden werden wollte. Während sie beobachtete, wie ein Tor in der
verfallenen Mauer Gestalt annahm, kehrte die Erinnerung zurück.
    Fremde
Laute kamen von ihren Lippen, deren Bedeutung sie nur durch die Trauer in
ihrem Herzen verstand: Sie wollen mich nicht.
    An dieser
Stelle erwachte sie abrupt aus ihrem Traum, richtete sich auf und rang nach
Atem. Ihr schlanker Körper war schweißbedeckt.
    Zitternd
lag Gloriana in ihrem Bett und begann sich zu erinnern. Als Kind hatte sie
unablässig über jenen anderen Ort geplappert und sogar darüber
geschrieben, weil sie glaubte, er sei real. Die Dame Elaina und schließlich
auch Edwenna hatten sie davor gewarnt, mit jemandem darüber zu sprechen. Mit
der Zeit hatte Gloriana ihre Aufzeichnungen fortgelegt und sich allmählich
damit abgefunden, daß sie sich das ganze Abenteuer nur eingebildet hatte. Oft
vergingen Jahre, ohne daß sie auch nur ein einziges Mal an jenes Land dachte,
das sie in ihrer Phantasie geschaffen hatte, doch dann kam ihr ein Bild oder
ein Wort in den Sinn, oder sie träumte davon wie heute nacht.
    Seufzend
kuschelte sie sich noch tiefer in die Decken und schloß die Augen, um zu schlafen,
aber ihre Blase verlangte, entleert zu werden. Ergeben griff sie nach ihrer chemise und zog ihr Hemd an, bevor sie die Decke zurückschlug. Gloriana wußte
nicht, was ihr mehr verhaßt war – der Nachttopf unter dem Bett oder

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