Lindenallee
Bilder gucken. Also wir können gerne telefonieren", lud Luise ihre Tochter zu einem Schwätzchen ein.
„Oh, prima. Mir geht es schon ganz gut. Aber weißt du was? Frau Wagner, nee, ich duze sie ja jetzt, also Magarete, hat von ihrer Kindheit in Lucklum erzählt. An einer spannenden Stelle hat sie leider aufgehört. Ich hoffe, sie wird morgen fortfahren und ich erfahre mehr."
„Frau Wagner ist eine herzensgute Frau. Erzähl mir doch ein bisschen, ja? Ein paar Minuten habe ich auf jeden Fall Zeit."
„Gerne." Paula wusste, ihre Mutter war neugierig, andere würden es unter den Deckmantel „interessiert“ stecken. So telefonierten sie noch eine Weile, bis Luise auf dem neusten Stand war.
6
Den nächsten Morgen war Paula schon auf den Beinen, als ihre Eltern die Tür aufschlossen. Auf leisen Sohlen schlichen sie sich zu Paulas Schlafzimmer und öffneten vorsichtig die Tür.
„Oh, sie ist gar nicht da", stellte Walter mit einer Spur Überraschung fest.
„Ich bin hier", erklang die Stimme von Paula aus der Küche, an der ihre Eltern ohne sie zu bemerken vorbeigelaufen waren. Luise tauchte zuerst in der Küche auf.
„Guten Morgen mein Liebes, du bist ja schon wach." Prüfend sah sie ihrer Tochter in die Augen. „Du siehst auch schon viel besser aus."
„Ich fühle mich auch so. Und heute werde ich euch helfen", entschied Paula.
„Das musst du aber nicht, du musst dich schonen", funkte Walter dazwischen.
„Also, ich habe mir überlegt, die schweren Sachen überlasse ich euch und ich räume die Wohnzimmerschränke und Regale ein."
Das schien Luise gut in den Kram zu passen. „Wir wollen heute auf jeden Fall deinen Kleiderschrank aufbauen, damit die Kartons im Schlafzimmer verschwinden. Das sieht ja schlimm aus." Das chaotische Schlafzimmer mit den zahlreichen Kartons war ihr ein Dorn im Auge.
Und so wurde es gemacht. Luise und Walter bauten als eingespieltes Team den großen Kleiderschrank auf. Nur ab und zu wurde Paulas unterstützende Hand benötigt.
Die Kisten im Wohnzimmer verschwanden eine nach der anderen und Paula gestaltete den großen Raum wohnlicher. Erinnerungsstücke aus ihrem Leben in München hatte sie bewusst nicht mitgenommen. Sie wollte ein neues Leben anfangen und nicht ständig an das vergangene erinnert werden.
Mir fehlen Pflanzen, bemerkte sie, als sie sich im Wohnzimmer umsah. Die Fenster gingen zur Südseite hinaus, die Frühlingssonne schien hell hinein. Hier würden sich Pflanzen gut machen, ich werde die Tage in einen Baumarkt fahren.
Durch das Klingeln an der Tür wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie ging zur Wohnungstür und riskierte einen kurzen Blick durch den Türspion. Sie seufzte, denn sie erkannte den Hausdrachen ungeduldig wartend davor. Die Körpersprache der Frau verriet nichts Gutes. Paula straffte die Schultern und öffnete die Tür.
„Guten Morgen Frau Lindner." Paula setzte ein Lächeln auf, das zu einer Maske erstarrte. Zum Glück hatte sie sich an den Namen der Frau erinnern können.
„Nun ja, guten Morgen." Frau Lindner verzog das Gesicht, als ob sie mit der Freundlichkeit nicht gerechnet hatte und um ihren geplanten Auftritt gebracht wurde. Sie räusperte sich. „Das ist schön, dass es Ihnen besser geht."
Die Buschtrommeln des Hauses funktionieren bestens, dachte Paula. Sie wartete ab, was als nächstes kommen würde.
„Aufgrund der Tatsache, dass Sie diese Woche erst eingezogen sind und wegen Ihrer Unpässlichkeit, will ich mal nicht so sein und Ihnen die Hauswoche erlassen.“
Wie großzügig, dachte Paula ironisch, laut sagte sie: „Das ist sehr freundlich. Frau Wagner war übrigens so nett, mich in die Gepflogenheiten des Hauses einzuweisen." Das war glatt gelogen, aber Paula war es egal. Von dem Hausdrachen lass ich mir doch nichts vorbeten, beschloss sie.
Bei Frau Lindner machte sich Enttäuschung breit. „Na, wenn das so ist …", ließ sie in der Luft hängen.
Paula blieb gelassen, schämte sich nur ein wenig über ihre Notlüge und schwieg. Etwas unentschlossen verlagerte Frau Lindner das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Paula gab ihr kein Stichwort, um die Unterhaltung fortzusetzen.
Frau Lindner schnappte kurz nach Luft. „Dann will ich mal wieder, ich habe noch viel zu tun." Mit einem Kopfnicken verabschiedete sie sich.
„Auf Wiedersehen", rief ihr Paula hinterher, ein Grinsen zog sich breit über ihr Gesicht, während sie die Tür schloss.
„Paula!" Ihre Mutter stand in der Schlafzimmertür und hatte das
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