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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Sommer würde mit langen Abenden folgen, an denen wir alles machen konnten, was wir wollten.
    Wir haben nichts Schlimmes angestellt, wir haben nur die freie Zeit neben der Schule und der alltäglichen Arbeit auf dem Hof genutzt, unsere Träume zu leben. Ich glaube, das war mit die schönste Zeit meines Lebens! Und ich verbrachte sie mit meinen besten Freunden. Dass Friedrich später mehr als nur ein Freund für mich sein sollte, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
    Der Frühling verging wie im Flug, die Felder wurden bestellt, Kälber und Ferkel geboren, es gab immer etwas zu tun. So verwunderte es nicht, wie schnell der Sommer da war. Die Tage wurden länger und die Arbeit nahm im selben Maße zu.
    Wir mussten früh aufstehen. Bevor wir zur Schule gingen, wurden die Kühe, Schweine und Hühner versorgt. Wenn wir von der Schule kamen, machten wir zuerst die Hausaufgaben und versorgten anschließend die Tiere.
    Wir hatten wenig Freizeit, aber wenn wir sie hatten, dann schien es so, als ob Friedrich ein Gespür entwickelte, wann wir in der Lindenallee auftauchen würden. Dann stand er da, lachte uns von Weitem entgegen und winkte fröhlich. Es war eine unbeschwerte Zeit für uns, obwohl wir das Jahr 1937 schrieben.
    Von den Nationalsozialisten bekamen wir wenig mit. Wir Kinder von den Bauernhöfen hatten keine Zeit in eine der Jugendorganisationen der Nazis zu gehen. Man ließ uns in Ruhe, vielleicht hatten es meine Eltern auch nur gut verstanden, uns von dieser dunklen Seite des Lebens so lange wie möglich fernzuhalten. Ich danke Gott für meine gütigen Eltern, die uns nie schlugen oder schlecht behandelten.
    Heute bin ich fast der Überzeugung, dass wenigstens meine Mutter wusste, dass wir uns trotz Verbot mit Friedrich trafen. In einem Dorf war Tratsch wohl das, was heute die Klatschzeitungen berichten. Nur das in Lucklum natürlich keine berühmten Leute lebten.
    Nach einem langen heißen Sommertag mit anstrengender Arbeit in den Gemüsefeldern, schlenderten Heinz und ich in Richtung der Lindenallee. Wir hielten uns rechts an der kopfsteingepflasterten Straße. Auf der linken Seite erhoben sich die hohen, dunklen Mauern des Rittergutes. Meine Eltern hatten uns verboten, einen Fuß darauf zu setzen. Das war das einzige Verbot, an das wir uns strikt hielten. Niemand, der dort nicht arbeitete oder sonst wie geartet zu tun hatte, kam auf die Idee, dort hinzugehen.
    In den langen Wintermonaten wurden gerne Schauergeschichten von den alten Leuten des Dorfes erzählt. Besonders hartnäckig hielten sich die Gerüchte, dass es dort Kerker geben sollte, in denen Menschen verrotteten und keiner es bemerkte. Die Seelen der Verblichenen geisterten vorzugsweise nachts durch das Gut und kleine Kinder erschreckten sie für ihr Leben gern. Ich weiß, das sind nur Geschichten, aber wir sind damit groß geworden und haben diese sozusagen verinnerlicht.
    An diesem Tag, als Heinz und ich den Weg in Richtung Lindenallee einschlugen, blickten wir zum Rittergut hinüber und erschauerten trotz der Wärme, denn in diesem Moment lief eine schwarze Katze über die Straße. Ein bisschen Aberglaube hat doch jeder Mensch und das Tier verhieß nichts Gutes. Nachdenklich gingen wir weiter und erreichten Friedrich, der ungeduldig mit dem Fuß wippte.
    „Da seid ihr ja endlich. Ihr kriecht wie die Schnecken", zog er uns auf.
    „Wir haben heute schon eine Menge gearbeitet, im Gegensatz zu dir, du Faulpelz." Heinz ging gerne auf die Stichelei von Friedrich ein. Entweder entbrannte zwischen ihnen ein Wortgefecht oder sie fingen mit Balgen an.
    „Ha, ich habe geistig gearbeitet", setzte Friedrich dagegen.
    „Ach ja, der Herr soll ja etwas Besseres werden und zur Universität gehen, deshalb hängt er immer über seinen Büchern."
    „Richtig, damit ich nicht nach Mist stinke und Dreck unter den Fingernägeln habe." Friedrich roch an Heinz und rümpfte die Nase. „Sage ich doch, Mist-Duft."
    Ich roch vorsichtshalber an meiner Kleidung, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen. Ich roch wie immer.
    Friedrich sah es und lachte. „Ach, Magarete, das war doch nur Spaß. Du siehst bezaubernd aus wie immer und duften tust du nach Rosen."
    Gegen meinen Willen wurde ich rot. Wenn er mich ärgerte, machte mir das überhaupt nichts aus, aber mit netten Sachen konnte ich schwer umgehen. Mir fiel keine passende Antwort ein, es war aber auch egal, da Friedrich abrupt das Thema wechselte.
    „Ihr wisst doch, dass meine Mutter Unterricht im

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