Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
Vom Netzwerk:
machen, anders reagieren oder die richtigen Leute warnen können. Hätte, das Wort sollte mich lange beschäftigen.
    Es begann mit der Verhaftung von Otto Lüttje. Ich war es nicht, der ihn festnahm, es war die Gestapo. Mich traf die Festnahme genauso überraschend, wie alle anderen im Dorf. Ich war sehr wütend und bekam keine Gelegenheit zu ergründen, welches Vergehen ihm vorgeworfen wurde.
    Zu Otto musste man wissen, dass er Schmied und ein friedvoller Mensch war. Seine Frau war ihm im Jahr zuvor an einer schlimmen Grippe verstorben und er kümmerte sich liebevoll um seinen einzigen Sohn Peter, der als Stallknecht am Rittergut arbeitete.
    Warum also wurde Otto verhaftet und verschwand anschließend spurlos? Und was passierte mit seinem Sohn einen Tag später? Er tauchte nicht wieder auf! Dabei hätte er bei seinen Verwandten einen Ort weiter unterkommen können. Stattdessen floh er, so berichteten es jedenfalls die Nachbarn.
    Ich tat den Fall Otto Lüttje mit dem Beginn des Jahres 1939 zu den Akten. Ein ungelöster Fall, der mich tagein, tagaus beschäftigte. Ich hatte von meinem Vater mit auf dem Weg bekommen, eine angefangene Sache immer zu Ende zu bringen. Hier versagte ich. Wie ein bösartiger Stachel saß er in meinem Fleisch. Ich meinte, es würde sich nie aufklären. Ich irrte mich gewaltig, im Sommer 1939 sollte ich auch diese Akte schließen können.
    Auf einem Dorf gibt es nichts Besseres, als den Dorfklatsch. Alles was sich im Laufe des Tages angesammelt hatte, kam abends in der Dorfkneipe brühwarm auf den Tresen. So gehörte es zu meinen allabendlichen Gepflogenheiten, in der Kneipe vorbeizuschauen und das Ohr an die Bevölkerung zu legen.
    Darüber erreichte mich die große Neuigkeit: auf dem Rittergut war ein Streit eskaliert. Heinz Wagner und Hein Kummerlich gerieten aneinander. Vorausgegangen war eine Unstimmigkeit mit Magarete Wagner, die als Küchenhilfe auf dem Rittergut arbeitete. Ich hörte den Menschen schweigsam zu und stellte fest, dass es zwei Versionen der Ereignisse gab. Die eine besagte, Magarete wäre von Hein Kummerlich bedrängt und geschlagen worden, Heinz wäre rechtzeitig dazwischen gegangen und daraus resultierte die Morddrohung von Heinz an Hein .... Die andere berichtete, wie Magarete von einem Pferd getreten wurde und worüber sich Hein furchtbar aufgeregt hätte. Heinz solle allerdings dem Hein sehr dankbar gewesen sein, dass er seine Schwester vor dem wilden Tier gerettet hatte.
    Hätte es bei uns im Ort ein Wettbüro gegeben, die Leute hätten vermutlich fünfzig zu fünfzig gewettet. Ich für meinen Teil glaubte die Geschichte mit dem austretenden Pferd in keinster Weise. Obwohl mir glaubhaft versichert wurde, Hein Kummerlich hätte diese Geschichte dem Herrn von Wegenstedt aufgetischt und weder Widerspruch von Magarete, noch von Heinz geerntet. Das war also die offizielle Geschichte. Aber jeder, der Hein Kummerlich kannte, wusste sie war gelogen.
    Mich beunruhigte die Sache zunächst nicht. Ich wollte den darauffolgenden Tag Nachforschungen anstellen und mir die unterschiedlichen Versionen von den Beteiligten getrennt anhören. Ich ahnte nicht im Entferntesten, dass sich ein paar Stunden später die Ereignisse überschlagen würden.
    Abends verließ ich die Kneipe erst gegen 23:00 Uhr. Ich war ein wenig mit dem Wirt Ede ins Plaudern geraten, den ich seit meiner Kindheit kannte.
    Draußen vor der Kneipe war es um diese Uhrzeit selbstverständlich ruhig. Die meisten Dorfbewohner standen in der Frühe auf und gingen deshalb zeitig schlafen. Ich hing in meinen Gedanken den Gesprächen aus den Stunden zuvor nach und eine innere Unruhe trieb mich an, entlang der Straße auf das Rittergut zu zugehen.
    Die hohen Mauern und die Gebäude lagen vollkommen ruhig da. Ich blieb stehen und sah hinüber. Kein Mucks, kein Geräusch drang an mein Ohr. Nur eine weit entfernte Eule saß in einem Baum und rief in die dunkle Nacht.
    Ich war im Begriff mich umzudrehen und nach Hause zu gehen, als ich eine Bewegung an der Mauer erahnte. Ich verharrte auf der Stelle, meinte ich doch einem Trugschluss aufzuliegen. Nein, tatsächlich, eine Gestalt schlich geduckt an der Mauer entlang.
    In meinen Adern pulsierte das Blut. Mein Jagdinstinkt trieb mich an, dem dunklen Schatten zu folgen. Ich tat es ihm gleich und im Schutz der grauen Mauer schlich ich auf das gusseiserne Tor des Rittergutes zu. Ich hörte, wie das Tor ein Stück vor mir leise quietschend geöffnet wurde und die Gestalt auf dem

Weitere Kostenlose Bücher