Lindenallee
kurz ab, ehe er sich aufs Knie klatschte. „Gut. Ich vertraue Ihnen.“
Paula spürte Erleichterung. Unbewusst hatte sie gespannt wie ein Flitzebogen dagesessen und die Luft angehalten. „Ich habe hin und her überlegt, wer wissen konnte, was damals in der Nacht geschehen ist. Ihr Vater hätte es wissen müssen, ließ aber nie ein Wort verlauten. Da kann ich mir noch keinen Reim drauf machen, denn immerhin war er Polizist und er hätte die Tatsachen ans Licht bringen müssen.“
Willi nickte mit dem Kopf. „Er war Polizist und es wurde niemand wegen des Mordes an Hein Kummerlich verhaftet.“
Ab dem Zeitpunkt hielt Steffen sich im Hintergrund. Paula hatte ihm zwar alles erzählt, aber er fühlte sich in der Geschichte nicht so heimisch wie sie und zog es vor, den stillen Zuhörer zu geben.
„Was wissen Sie über Hein Kummerlich?“, lenkte Willi das Gespräch überraschend auf eine Nebenspur.
Paula ließ sich darauf ein, denn sie vermutete, Willi Klagenfurth bezweckte etwas damit. „Von Magarete weiß ich so einiges. Sie hat nie ein gutes Haar an ihm gelassen. Kurz zusammengefasst würde ich sagen, er war ein gemeiner, hinterhältiger Mensch. Außer dem Herrn von Wegenstedt und seinen eigenen Töchtern, stand er Niemandem nahe. Niemand vertraute ihm oder mochte ihn sonderlich.“
„Das scheint mir eine gute Beschreibung des Mannes zu sein. Es gibt Menschen, denen man nichts Gutes wünscht. Zu denen gehörte Hein Kummerlich. Sicherlich wünscht man ihm nicht den Tod, sondern viele Furunkel am Hintern oder immer Regen, wo er steht und geht.“
Willi Klagenfurth grunzte über seinen eigenen Witz, ehe er wieder ernst wurde. „Die Ereignisse entwickelten sich tragisch. Hein Kummerlich kam zu Schaden - nun gut - zu Tode.“ Willi Klagenfurth legte eine Pause ein. Er war sich bewusst, dass in seiner Stimme kein Bedauern über das Ableben des Mannes lag. „Der Verstorbene hat letztendlich tatkräftig sein eigenes Schicksal besiegelt. Niemand im Dorf war über seinen Tod besonders traurig, so schlimm das in Ihren Ohren klingen mag. So war es auch nicht verwunderlich, dass die Suche nach dem Mörder irgendwann im Sand verlief und kein Hahn danach krähte. Verstehen Sie, was ich damit meine? Es gab einen Mord und niemand hatte besonderes Interesse daran, einen Mörder hinter Gitter zu bringen.“
Steffen mischte sich nun doch ins Gespräch ein. „Ich verstehe, was Sie damit ausdrücken wollen. Ich glaube es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen. So wie ich von Paula weiß, kamen einige Ereignisse zusammen, die fast zwangsläufig zu dem Drama führten. Vielleicht erzählen Sie uns, was Ihnen Ihr Vater anvertraute?“
Paula spürte, wie dicht sie davor waren, das letzte Geheimnis über Magarete und Friedrich zu lüften. Gespannt richtete sie ihren Blick auf Willi Klagenfurth, der immer noch zögerte.
„Alles was wir jetzt hören, bleibt selbstverständlich bei uns“, bekräftigte Steffen.
Willi Klagenfurth überwand seine letzten Zweifel. „Gut. Ich werde versuchen aus meiner Erinnerung zu erzählen. Das Gespräch mit meinem Vater war wie gesagt vor über zwei Jahren. Es blieb mir allerdings sehr gut im Gedächtnis haften, denn mein Vater galt als aufrichtiger Polizist, dem niemals nur eine Unregelmäßigkeit nachgesagt wurde. Was ich von ihm erfuhr, erschütterte damals mein Bild von ihm.“
Paula verglich Willi Klagenfurth mit seinem Vater, wie sie ihn sich nach Magaretes Erzählungen vorgestellt hatte. Sie mussten eine unglaubliche Ähnlichkeit gehabt haben, angefangen von ihrer Leibesfülle, bis hin zu ihrer Art zu sprechen. So verwunderte es Paula nicht im Geringsten, dass Willi in der Ich-Person die Erlebnisse seines Vaters wiederauferstehen ließ.
Es war die Zeit vor dem Krieg - eine grässliche Zeit. Ständig stand einer von der Partei in meinem Büro und gab mir Anweisungen, die ich natürlich nicht umsetzte! Was bildeten die sich ein, in meinem Dorf das Sagen haben zu wollen! Wir regelten alles immer im Sinne des gemeinschaftlichen Zusammenlebens.
Es erforderte manchmal viel Geschick, Streitigkeiten zu schlichten, die Menschen zu bewegen, Dinge zu tun, die sie nicht einsahen zu tun. Mit sanftem Druck und einem ernsten Gespräch konnte ich viel erreichen. Um das richtig zu stellen, ich habe mich nie bestechen lassen oder mich verbogen, um irgendjemandem einen Gefallen zu tun. Ich war immer ehrlich, vor allem mir selbst gegenüber. Das war ein wichtiges Prinzip von mir.
Die Ereignisse,
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