Lindenallee
gekünstelt schockierter Miene auf und zog Steffen mit empor, „dann verlassen wir euch jetzt.“
„Och, ich hatte mich gerade einen Moment hingesetzt“, protestierte er.
„Sitzen kannst du genug, wenn du alt bist. Heute geht es in die Stadt. Vielleicht einen Cocktail trinken?“ Sie zog Steffen aus dem Garten, er winkte Magarete und Friedrich zu. „Macht es gut ihr zwei. Ich muss dann mal wieder.“
Hinter ihnen erklang ein warmherziges Lachen. Es hörte sich in Paulas Ohren sehr lebendig an. Es verdrängte ihre Ängste, aber wie lange ging es noch gut?
Paula sog am Strohhalm ihres zweiten Cocktails. Sie saßen unter Bäumen, stimmungsvolles Licht beleuchtete die Tische, die mit einigen Pärchen und einem feiernden Junggesellinnen-Abschied besetzt waren. Die Nacht fühlte sich warm und südländisch an. Eine Nacht, in der man beschloss, sie erst beim ersten Lichtstrahl des neuen Tages ausklingen zu lassen. Von irgendwo her drang leise Musik zu ihnen. Eine Frauenstimme sang melancholische Lieder.
Wenig passend zu der romantischen Nacht, sprachen sie über ein ernstes Thema.
„Friedrich sah vorhin sehr schwach aus“, bemerkte Steffen.
Paula war es zunächst schwer gefallen, mit Steffen offen und schonungslos darüber zu sprechen. Mit der Zeit merkte sie, wie ihr die Gespräche gut taten und sie damit besser umgehen konnte.
„Es ist mir vorhin auch aufgefallen. Hast du ihn in letzter Zeit mal abgehorcht?“
„Nein, er lehnt es ab. So bitter sich das auch anhört, er weiß seine Zeit ist gekommen und möchte sie nicht künstlich verlängern.“
„Seine Gelassenheit macht mir mitunter am meisten zu schaffen. Schlimm ist es für Magarete, denn sie weiß, dass sie alleine zurückbleiben wird.“ Paula spielte gedankenverloren mit dem Cocktail-Schirmchen.
Steffen schwieg. Es fiel ihm nicht leicht, tröstende Worte zu finden und er machte sich Sorgen um Paula. Wie würde sie reagieren, wenn Friedrich starb? Und was würde mit Magarete passieren? Er befürchtete, Magarete würde den erneuten Verlust nicht verschmerzen. Als sie jung gewesen war und Friedrich spurlos verschwand, blickte sie nach vorne und das ganze Leben hatte noch vor ihr gelegen. Jetzt befand sie sich am Ende ihres Lebensweges und sie würde den geliebten Mann verlieren. Was blieb ihr dann?
Er schüttelte die beunruhigenden Gedanken ab und wechselte lieber das Thema. „Du sag mal“, Steffen hatte schon lange vorgehabt mit Paula über etwas anderes zu sprechen, „wie sieht das eigentlich mit Urlaub aus?“
„Urlaub?“ Paula stutze bei dem Thema.
„Ja, Urlaub. Das, wo man frei hat und nicht zur Arbeit muss“, lachte Steffen über ihre Begriffsstutzigkeit.
„Ach, das meinst du.“ Sie verzog ihr Gesicht zu einer komischen Grimasse.
„Kira hat im August Sommerferien und wie jedes Jahr fahre ich mit ihr zwei Wochen nach Amrum. Wir haben eine Ferienwohnung und es wäre genug Platz….“, fragend ließ er den Rest des Satzes offen.
Paula ließ ihn zappeln. „Amrum? Soll eine schöne Insel sein. Im August?“ Sie rieb sich überlegend die Nase. Steffen saß ihr wie auf heißen Kohlen gegenüber und wusste, dass sie ihn mit Absicht warten ließ. Sie nahm gelassen einen Schluck von ihrem Pina Colada, verdrehte überlegend die Augen nach oben, bis Steffen sie unterm Tisch mit dem Fuß anstieß.
„Menno, du ärgerst mich.“
Sie grinste schief. „Stimmt, ganz schön gemein von mir. Was ich zu Amrum sage? Ich bin dabei. Na klar.“ Sie beugte sich über den Tisch und schürzte die Lippen. In ihren Augen funkelten helle Flecken als Widerschein der Kerze. Das warme Licht tauchte ihr Gesicht in eine wunderschöne Farbe. Steffen schmolz fast dahin, als er ihr entgegenkam und sie küsste.
„Amrum mag ja ganz schön sein, aber natürlich nur mit dir. Und Kira.“
Steffen schloss glücklich die Augen und küsste sie leidenschaftlich. Der Kuss besiegelte in seinen Augen eine gemeinsame Zukunft. Sein Herz tat kleine Freudensprünge, nichts konnte sie auseinanderbringen.
Er ahnte nicht, welch harte Probe auf ihn zukam, die eine gemeinsame Zukunft in weite Ferne rücken sollte.
33
Die Tage wurden heißer. Die Schwalben fegten morgens und abends laut kreischend durch die Häuserschluchten auf der Jagd nach Insekten. In der Mittagshitze suchten sie ihre kühlen Verstecke auf und Ruhe kehrte ein. Die Menschen bewegten sich am Tage träge, abends hallten lange die Stimmen in den Gärten derjenigen nach, die weder Ruhe noch Schlaf in
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