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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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lag auf der weißen Tischdecke verstreut, Kaffeetassen und Weingläser standen kreuz und quer und eben diese Urne.
    „Bevor Steffen morgen losfährt, um sie abzuholen, waren wir eben dort und haben sie gleich mitnehmen können.“ Karl sprach die Worte innerlich aufgewühlt aus. Im selben Moment spürte er, dass er seinem Vater eine letzte gute Tat hatte zukommen lassen, indem seine sterblichen Überreste im Kreise der Familie und Freunde die letzte Ruhe fanden.
    Magarete schien es gar nichts auszumachen, die Urne vor sich zu haben. Beinahe zärtlich strich sie über das glatte, kühle Material und dachte an Friedrich. Es hätte ihm gefallen, diese Feier im Garten. Magarete winkte Paula zu sich.
    „Holst du bitte den Schlehenschnaps von oben?“
    Paula nickte und verschwand erleichtert, einen Moment für sich sein zu können. Sie zog den Schüssel zu Magaretes Wohnung aus ihrer Hosentasche. Seit ein paar Tagen trug sie ihn bei sich. Magarete hatte ihr den Schlüssel überreicht und seitdem ging sie tagein, tagaus in die Wohnung, um nach dem Rechten zu schauen.
    In der Wohnung umfing sie die vertraute Atmosphäre: Die große Standuhr tickte monoton vor sich hin, so als sei nichts geschehen. In diesem Raum lag eine Ruhe, die sie augenblicklich gefangen nahm. Sie stellte sich vor den Sekretär, auf dem die Fotos standen. Das Bild von Magarete, Heinz und Friedrich aus ihren jungen Jahren, stand neben dem von Hannes, dem Mann, dem sie das Ja-Wort gegeben hatte. Lange blickte sie in die Gesichter. Magarete hatte alle, die ihr lieb waren, verloren. Wie furchtbar, erschrak sie. Die Menschen entschwanden aus dem Leben und Magarete blieb als einzige zurück.
    „Paula?“ Luise hatte das Fehlen ihrer Tochter bemerkt und war ihr gefolgt.
    „Hmm?“ Sie drehte sich nicht um, sondern ließ den Blick auf den Fotografien ruhen. Luise legte einen Arm um sie.
    „Hast du die Flasche? Lass uns zu den Anderen zurückkehren.“
    „Mama?“ Paula schluckte.
    „Ja, mein Liebes?“
    „Was wird aus Magarete werden?“
    Luise überlegte sich einen Moment ihre Antwort. Sollte sie lügen? Sie entschied sich bei der Wahrheit zu bleiben. „Ich weiß es nicht. Ich würde dir gerne sagen, alles wird gut. Sei ihr eine gute Freundin und steh ihr zu Seite. Egal was kommt“, sprach Luise bedächtig.
    Paula nickte zaghaft. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Sie seufzte schwermütig. „Dann hole ich mal die Flasche. Ein Schlehenschnaps tut uns jetzt bestimmt gut.“
     
    Karl erhob das Glas. „Ich möchte mit euch auf meinen Vater anstoßen. In seinem Namen danke ich euch, dass ihr ihm Freund wart und heute erschienen seid.“ Er trank das Glas aus. Niemand stieß das Glas mit dem eines anderen an. Schweigend rann ihnen die scharfe Flüssigkeit den Hals hinunter.
    „Und wie Friedrich jetzt bestimmt gesagt hätte: Auf einem Bein kann man nicht stehen.“ Paula schlug sich mit der Hand vor den Mund. Sie wollte das doch nur denken, aber es war ihr über die Lippen gerutscht. Zu ihrer Verwunderung, breitete sich ein wohlgefälliges Schmunzeln aus und Karl füllte die Gläser erneut.
    „Genau das hätte mein Vater gesagt. Und bei aller Trauer, erinnert euch bitte an ihn im Guten und wie gerne er fröhlich war.“
    Zustimmendes Nicken und nachfolgendes Stimmengemurmel nahm der Trauerfeier ihre erdrückende Ernsthaftigkeit. Günther Lindner fiel spontan eine Anekdote von Friedrich ein, die er den gewillten Zuhörern zum Besten gab.
    Paula suchte Steffen und fand ihn bei ihren Eltern. Er unterbrach die Unterhaltung mit Luise und Walter und sah sie forschend an. „Alles okay?“
    „Ja. Es geht mir gut.“ Sie warf einen Blick zu Magarete, vor der immer noch die dunkle Urne stand. „Aber dass die Asche von Friedrich zwischen Essen und Getränken steht, finde ich doch etwas befremdlich.“ Sie lächelte schräg bei dem Anblick.
    „Ja, das stimmt.“ Steffen schmunzelte. „Das hätte Friedrich bestimmt gefallen.“

34
    Bevor Paula die Tür aufschloss, klingelte sie gewohnheitsmäßig drei Mal, damit Magarete Bescheid wusste.
    Paula rechnete damit, sie trübselig auf dem Sofa sitzend vorzufinden, während sich ein Sommergewitter über der Stadt austobte. Sie wurde eines Besseren belehrt, denn Magarete lief im Wohnzimmer umher. Schubladen standen offen, Kartons waren auf dem Boden verteilt. Einige waren verschlossen, andere halb gefüllt und versperrten den Weg. Es sah chaotisch aus. Magarete hatte das Klingeln nicht bemerkt und drehte sich

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