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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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sich auf das Sofa, auf jenes, auf dem sie so oft gesessen und Magaretes Geschichten gelauscht hatte. Das Sofa war nicht leer, aber keine Kartons, wie letztes Mal, standen oben auf.
    Magarete lag dort.
    Paulas erster Gedanke war, sie würde schlafen. So friedlich lag sie dort: Bekleidet mit einem dunklen Rock und einer hellen Bluse, die Haare offen ausgebreitet und die Hände über ihrer Brust gefaltet. Der Anblick einer schlafenden Magarete war aber ein Trugschluss, denn ihre Brust hob und senkte sich nicht.
    Verstört kniete sich Paula vor Magarete nieder. Es hatte den Anschein, als wollte sie Magarete sanft wecken, aber sie kam ihr nicht näher. Vielmehr betrachtete sie eindringlich ihr entspanntes Gesicht, die feinen Falten, die sich hindurchzogen und verrieten, wie viel sie in ihrem Leben erlebt hatte. Schlagartig wurde ihr bewusst, Magarete würde nie wieder die Augen öffnen und sie ansehen, mit ihr sprechen oder lachen. Magarete war wie Friedrich eingeschlafen und würde aus diesem Schlaf nie wieder erwachen.
    Paula wurde schwindelig. Sie begann zu schwanken, dunkle Punkte tanzten grausam vor ihren Augen. Günther stand nur wenige Meter hinter ihr und verfolgte erschüttert das Geschehen. Als er Paula zur Seite kippen sah, schritt er rasch zu ihr und fing sie auf.
    Dunkelheit umfing Paula, die alles verschluckte und die über sie einbrechenden Gefühle zum Verstummen brachte.

37
    „Wo ist sie?“ Steffen fegte wie ein Tornado in ihre Wohnung und ließ achtlos seine Jacke auf den Boden fallen. Günther hatte ihn sofort benachrichtigt, danach Luise und Walter Bescheid gegeben.
    Paulas Eltern trafen wenige Augenblicke später als Steffen ein. Günther wies mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer. Steffen stürmte zuerst hinein, seine Arzttasche stellte er auf dem Nachttisch ab und setzte sich zu Paula ans Bett. Sie war wach, sah ihn an, blickte aber durch ihn hindurch.
    „Paula?“
    Keine Reaktion von ihr. Er fühlte ihren Puls, der kräftig, aber unregelmäßig schlug.
    „Wie geht es ihr?“ Luise stand hinter Steffen und schaute besorgt auf ihre Tochter.
    „Sie hat einen Schock. Ich werde ihr ein Beruhigungsmittel geben. Bleibst du bei ihr? Wir dürfen sie nicht aus den Augen lassen, ja?“ Steffen sprach sehr ruhig, aber Luise merkte, wie sehr er sich zusammenreißen musste.
    Er gab der apathisch daliegenden Paula die Spritze. Normalerweise hasste Paula es, gepikst zu werden und hätte sich dagegen gewehrt. Einen Arzt hatte sie einmal sogar getreten, aus Versehen, wie sie später versuchte klarzustellen. Die Panik vor Spritzen brach jedes Mal bei ihr durch. Nur dieses Mal lag sie da, ohne einen Muskel zu bewegen.
    Steffen verstaute die Spritze in seiner Tasche und blickte lange auf Paulas verwirrt aussehendes Gesicht. Sie schien ihn nicht zu erkennen und zeigte keinerlei Regung. Besorgniserregend. Steffen rang innerlich mit sich. Er wollte bei ihr bleiben, aber es gab eine weitere Sache zu tun, die keinen Aufschub duldete.
    „Dann gehe ich jetzt zu Magarete.“ Sein Blick blieb unverwandt bei Paula. „Luise, bleibst du bei ihr?“
    Eine Hand legte sich beruhigend auf seine Schulter und drückte sie leicht. „Geh nur.“
    Steffen strich Paula besorgt die Haare aus dem Gesicht, nahm seine Tasche auf und nickte Luise dankbar zu. Im Flur stand ihm Günther gegenüber, der nicht so recht wusste, was er tun sollte. Steffen versuchte, in dem sich anbahnenden Chaos den Überblick zu behalten. Er fürchtete sich bereits vor dem persönlichen Chaos, das ihm unweigerlich bevorstand. „Wann hat Paula Magarete gefunden?“
    „Vor fünfzehn Minuten, würde ich sagen.“
    „Was ist dann passiert?“
    „Paula ist ohnmächtig geworden, ich konnte sie gerade noch auffangen.“
    „Gut gemacht.“ Steffen klopfte Günther auf die Schulter.
    Dieser brachte ein verunglücktes Lächeln zu Stande. „Tja, also, du hättest sie sehen sollen, welchen Gesichtsausdruck sie hatte, als sie Magarete entdeckte.“ Günther schüttelte traurig den Kopf.
    Das hatte Steffen befürchtet und in qualvoller Vorahnung immer gewusst, dass es passieren würde. Jetzt musste er aber erst mal zu Magarete und einen Totenschein ausfüllen. Wie er diesen Beruf an manchen Tagen verabscheute. Heute war so ein Tag, da würde er am liebsten alles andere als Arzt sein.
    Bevor er die Treppe hinabstieg, hielt ihn Günther am Arm fest. „Kannst du bitte auch gleich bei meiner Frau vorbeischauen?“
    „Was ist mit ihr?“
    „Berta hat mir vorhin

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