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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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ist ein siebenjähriger Junge. Anton. Anton wollte vor ein paar Monaten mal von mir wissen, was ›spießig‹ bedeutet. Ich habe versucht, es ihm zu erklären. Ich weiß gar nicht mehr, was ich genau gesagt habe und ob es überhaupt schlau war. Er hat aber einige Zeit darüber nachgedacht und dann gesagt: Ich glaube, das Spießigste , was man überhaupt machen kann, ist, darüber nachzudenken, ob etwas spießig ist . Und ich glaube, er hat den Nagel auf den Kopf getroffen.«  
    Ups. Waren das die richtigen Worte? Und, vor allem, zur richtigen Zeit? Wenn nein, hat mein Mund an einem einzigen Tag seinen ganzen Kredit bei mir verspielt und ich werde mich für die Zukunft nach anderen Kommunikationsformen umsehen. Schnalzen vielleicht. Obwohl, das wäre ja auch mit dem Mund …  
    »Boa.«  
    Apfelsinchen hat sich aufgerichtet und schaut mich an. Irgendwas geschieht gerade in ihr, aber ich weiß nicht was. Wäre eigentlich schön, wenn wir so konstruiert wären, dass man innere Veränderungen sofort äußerlich ablesen könnte. Wie in Horrorfilmen, nur halt nicht immer so negativ. Von dem, was gerade in Apfelsinchen passiert, kann ich aber nichts sehen. Ich versuche zu raten, aber das klappt auch nicht. Ihr Blick ist so unheimlich. Mein ganzes Denken ist mit Angst-Haben und Auf-der-Hut-Sein beschäftigt. Was hat sie nur? Kann sie wenigstens mal was sagen?  
    »Boa!«  
    Ich warte, ob sie dem »Boa!« noch ein paar Erläuterungen hinzuzufügen hat, aber es kommt nichts. Nur ihre Augen sagen mehr denn je »Sieh dich vor, jetzt kommt was. Und zwar was Großes«. Aber es kommt nichts. Also, zumindest keine Worte. Was am Ende kommt, ist … ein Kissen. Und zwar ein sehr großes. Und es kommt mit Wucht.  
    WHAMM!  
    Ich habe mich noch nicht einmal ansatzweise von diesem Schlag erholt, als schon der zweite auf meinen Kopf herniedergeht.  
    WHAMM!  
    Ich liege flach, angele blind und verzweifelt mit meinem linken Arm herum und kriege etwas zu fassen, das mir Hoffnung gibt. Während Apfelsinchen zum nächsten Schlag ausholt, habe ich kurz Gelegenheit nachzusehen, was es ist, das mir Hoffnung gibt, und erkenne sofort, dass es mir doch keine Hoffnung gibt. Was ich in der Hand halte, ist zwar auch ein Kissen, aber ein viel zu kleines, als dass ich mich damit ernsthaft wehren könnte. Wenigstens gelingt es mir, es ihr ins Gesicht zu werfen, und den Sekundenbruchteil, den ich dadurch gewinne, zu nutzen, um meinen Kopf vor dem nächsten Dampfhammerschlag in Sicherheit zu bringen.  
    WHAMM!  
    Dummerweise liege ich jetzt an der Wand, was meine Ausweichmöglichkeiten für das sich erneut mit Lichtgeschwindigkeit nähernde Kissen erheblich einschränkt. Ich reiße meine Arme vors Gesicht. Sicher keine schlechte Idee, aber Apfelsinchen ist nicht doof, nutzt die Zielkorrekturfunktion und der Schlag saust an eine Stelle, bei der ich wirklich froh bin, dass es nur ein Kissen ist, von dem sie gerade getroffen wird.  
    WHAMM!  
    Und sie holt schon wieder aus.  
    »Kissenschlachten sind spießig!«  
    »Pah!«  
    WHAMM!  
    »Hat Rüdiger Rodeo gesagt.«  
    »Pah!«  
    WHAMM!  
    »Echt! Er spricht vom medial-bourgeoisen …«  
    WHAMM!  
    »… Feder-Daunen-Theorem.«  
    WHAMM!  
    Schon bald bin ich nicht mehr in der Lage, die Angriffswellen zu zählen, geschweige denn, mich noch irgendwie zu wehren. Einzig dass ich noch in der Lage bin, das » WHAMM! « zu hören, beruhigt mich etwas. Wenn das Gehör noch Nachrichten an das Gehirn übermittelt, heißt das, dass noch nicht alles kaputt sein kann.  
    Irgendwann hört sie auf. Weiß nicht warum. Wahrscheinlich hat das Kissen um eine Pause gebeten. Aber sie ist anscheinend fest entschlossen, mir den Rest zu geben, egal mit welchen Waffen. Sie zerrt mich aus meiner Schutzhaltung und dreht mich auf den Rücken. Und jetzt muss ich sagen, wenn ich vor einiger Zeit angemerkt hatte, dass Apfelsinchen mir zu passiv war, dann möchte ich nun hinzufügen, dass sie auch noch eine ganz andere Seite hat. Jedenfalls kann ich mich bei dem, was jetzt folgt, kaum rühren, und wenn, dann nur, weil ich ihre Bewegungen mitmache. Aber ich mag ihre Bewegungen. Ich mag sie sehr. Hätte ich geahnt, wie wichtig es für sie ist, ihren Partner vorher mit einem Kissen zu verdreschen, hey, wir hätten darüber reden können. Oder war es das gar nicht?  
    Jedenfalls sorgt sie nun dafür, dass wir jetzt alles nachholen. Alles und noch mehr … noch mehr … mehr …  
    ***  
    »Wie … wie

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