Linna singt
mit euch in die Sauna zu gehen«, berichte ich stockend. »Das ist ein Motiv, oder?«
»Wenn du mich fragst: Mir kommt Jules komisch vor, nicht Maggie«, lässt Falk mich nach einigen Sekunden des stillen Grübelns in seine Gedanken blicken.
»Jules? Aber welches Motiv sollte der denn haben?« Ich habe Jules keine Sekunde lang in Betracht gezogen, sonst wäre ich niemals zu ihm gegangen und hätte ihn Schadensbegrenzung betreiben lassen.
»Das weiß ich nicht. Aber seine Reaktion bei dem Spiel …«, erinnert mich Falk widerstrebend. »Das war krass. Er hat dich geschlagen. Und da waren noch ein paar Sachen …« Was für Sachen? Falk schüttelt den Kopf. »Vielleicht hat Maggie recht und er steht auf dich. Ich hab das Gefühl, er verbirgt etwas. Ja, vielleicht steht er insgeheim auf dich.«
Und schneidet mir deshalb die Haare ab? Was ist denn das für eine abenteuerliche These? Dann hätte ja selbst Falk ein Motiv. Er mag meine Haare, will mich womöglich aber nicht hübsch finden, genauso wie er sich nicht an unsere Nacht erinnern möchte, aus irgendeinem unerfindlichen, perfiden Grund, den ich nicht kenne, und schneidet sie ab. Fühlt sich das stimmig an? Nein. Weder bei Falk noch bei Jules.
Wie in einem Automatismus fasst Falk sich an seinen lockigen Pferdeschwanz, während er über unsere abstrusen Verdächtigungen nachsinnt, und schüttelt immer wieder den Kopf. Also fühlt es sich auch für ihn nicht logisch an. Trotzdem, mit einem liegt er richtig: Jules verhält sich äußerst merkwürdig.
»Maggie hätte noch ein zweites Motiv«, sage ich, obwohl ich dieses Thema nicht anschneiden wollte. »Sie hat es am meisten von euch geärgert, dass ich die Band aufgelöst habe.«
»Und Jules«, bemerkt Falk mit versunkenem Blick.
»Jules? Davon weiß ich nichts.« Mir gegenüber hat er nichts dergleichen verlauten lassen – nur dass er es schade fände und es eine schöne Zeit gewesen sei und ich es mir doch noch einmal in Ruhe überlegen solle. Aber da gab es nichts zu überlegen.
»Doch. Jules. Du warst an diesem Abend ja nicht mehr da … Du weißt schon, die Nacht nach unserem letzten Auftritt und nachdem du hingeschmissen hast. Jules hat sein komplettes Schlagzeug zertrümmert. Er hat sogar das Fell der Basedrum zerrissen. Es war gruselig, ehrlich. Okay, er war voll bis zum Anschlag und wir waren alle genervt von Maggies Heulerei, aber … er war völlig außer sich. Sogar ich bin auf Abstand gegangen. Ich wollte ihn nicht ansprechen. Der hat geguckt, als würde er gleich jemanden umbringen.«
Es fällt mir schwer, Falk zu verstehen, meine Ohren sind wie verstopft und plötzlich nehme ich alles von weit außen wahr, als habe ich nichts damit zu tun und könne nichts davon steuern. Und doch bin ich tief darin verstrickt, so tief, dass ich das Gefühl habe, an meinen bloßen Gedanken zu krepieren, wenn ich sie nur näher kommen lasse. Was hat Falk eben gesagt – Jules ist ausgerastet? Hat sein Schlagzeug zertrümmert, weil ich meinen Ausstieg verkündet habe? Wie wütend muss man sein, um seinen eigenen Instrumenten etwas anzutun? Niemals wäre ich dazu fähig, sie sind für mich wie lebendige Wesen und es hat mir immer körperlich wehgetan, wenn ich mit meiner Bratsche versehentlich irgendwo anstieß oder das Klavier verstimmt war.
»Es passt doch eigentlich alles zusammen«, kehre ich mühsam zu meinen halbgaren Theorien zurück, ohne mich auf Falks Einwände einzulassen. Wir dürfen bei unseren Mutmaßungen das Flaschendrehen nicht vergessen. Das mit den Haaren kann ein Teil meiner Bestrafung gewesen sein. Maggie hatte quasi das Recht, sich an mir zu vergreifen. »Ich hab beim Flaschendrehen eurer Meinung nach gelogen und Maggies erste Strafe war, mir meine Sachen wegzunehmen.«
»Das war ein Streich, Linna. Ein harmloser Streich.«
»Er war nicht harmlos!«, widerspreche ich ohne jeden Nachdruck.
»Ja, weil niemand wusste, dass du dich deshalb in Socken den Berg hinunterstürzt. Wir dachten –«
»Ihr. Ihr dachtet.« Jetzt hat er sich verplappert. Also doch! Es war keine Einzeltat und Falk hat mitgemacht.
Prustend atmet er aus und verzieht den Mund zu einem beschämten Grinsen. »Ja, ich geb’s zu. Wir. Es war wirklich nur ein Streich und wir hatten das ausgemacht, bevor die Situation eskaliert ist und Jules dich geschlagen hat, okay? Ich dachte sowieso, dass niemand den Mut hat, es zu tun.«
»Wer hatte die Idee dazu? Wer?« Luna spürt die angespannte Stimmung zwischen uns und robbt mit
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