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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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war, bringt mich dermaßen in Rage, dass ich mich vergesse. Früher hatte Simon die gegenteilige Wirkung auf mich. Er hat mich ruhig gemacht. Und jetzt packe ich ihn am Kragen und schleudere ihn gegen die Spüle … Auch Falk hat seinen Teil abgekriegt.
    Vorsichtig äuge ich zu ihm hoch. Die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, steht er vor mir, in seiner unverwechselbaren Haltung, die Beine breit, die Fußspitzen ganz leicht nach innen gestellt, die Knie durchgedrückt – nicht elegant, auch nicht sonderlich athletisch oder gar erotisch, aber unverwüstlich. Er schaut an mir vorbei auf die Gasflasche, obwohl es da wahrlich nichts Interessantes zu entdecken gibt. Will er mich nicht ansehen? Wo ist er mit seinen Gedanken? Plötzlich kommt mir sein Blick wieder in den Sinn, mit dem er das Bild über meinem Bett fixiert hat. Der Stier und der Torero … Wer von beiden ist Falk? Hat er Linna den Hals umgedreht, während ich in der Hütte war? Weil sie sowieso keine Chance hatte? Er hat es doch auch bei dem anderen Huhn, ohne mit der Wimper zu zucken, getan, nicht freudig, aber es gab kein Zögern und kein Überdenken. Vielleicht hat es ihm sogar unterschwellig Lust bereitet.
    »Linna? Du zitterst. Steh auf. Komm, auf die Beine mit dir.«
    Ich nehme seine Hand, die er mir auffordernd hinstreckt, nicht zu Hilfe, ich bin kein gebrechliches Mütterlein. Mit einem Ruck stemme ich mich in die Senkrechte. Ich muss ihn fragen, es wird mir sonst keine Ruhe lassen.
    »Das Bild über meinem Bett, das Foto von dem Stier und dem Torero …« Seine Augen flackern auf. Er erinnert sich. Jetzt ist er ganz bei mir, schaut nicht mehr an mir vorbei. »Warum hast du es angeguckt? So … ich weiß es nicht. Woran hast du dabei gedacht?« Direkter kann ich nicht fragen. Alles andere wäre eine Unterstellung und damit gewinnt man das Vertrauen der Menschen nicht. Wenn das jemand weiß, dann ich.
    Ein beinahe schmerzliches Lächeln lässt Falks Züge weicher werden. Da ist sie wieder, wie bei Mike, eine verschwiegene, unnahbare Wärme in seinen Augen und seinem Mund, nicht greifbar, man kann sie ebenso wenig festhalten wie den Sommer, wenn der Herbst kommt.
    »Ich dachte daran, wie sehr ich mich danach sehne, mich mal wieder in die Nahrungskette einordnen zu können … und zu schauen, ob ich überlebe.«
    »Aha.« Falk, ich verstehe kein Wort. Doch ich will nicht weiterfragen. Wie so oft in den vergangenen Tagen stehe ich vor dieser unsichtbaren Mauer und ich fühle mich nicht bereit, einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Aber seine Worte klingen nicht danach, als lebe er seinen Geschlechtstrieb beim Morden von todkranken Hühnern aus. Er kramt in seiner Tasche und reicht mir ein verkrumpeltes, gelbstichiges Tempo. Er glaubt doch nicht im Ernst, dass ich mir damit die Tränen von den Wangen wische?
    »Wie geht’s deinem Bauch?«, frage ich kleinlaut.
    Falk winkt generös ab. »Nicht der Rede wert.« Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, ob es mich beleidigt oder beruhigt. Meine linken Haken jedenfalls sind der Rede wert. »Linna, ich glaub nicht, dass du das warst mit der Schmiererei. Nicht nachdem ich dich heute Nacht erlebt habe. Aber hätte ich dich nicht erlebt, dann …« Er überlegt und nimmt sich so viel Zeit dafür, dass ich nervös werde und die Tränen auf meinen Wangen zu gefrieren beginnen. »Ich weiß es nicht. Du bist schon extrem.«
    »Sorry, Falk, aber so etwas an die Wand zu pinseln, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ist nicht nur extrem, sondern vor allem extrem dumm, und Letzteres bin ich definitiv nicht.«
    »Ja. Da stimme ich dir zu. Aber wenn du es nicht warst, bedeutet das, dass es einer der anderen war, und das kann ich mir noch viel weniger vorstellen. Das ist mein Problem, verstehst du?«
    »Kurz zusammengefasst: Ich bin die Verrückteste von allen und deshalb muss ich es gewesen sein. Stimmt, ich war ja in der Klapse. Merkst du nicht, dass sich die Schlange in den Schwanz beißt?«
    »Na ja, aber das ist eben das, was«, er hebt die Hände, um Anführungszeichen in die Luft zu malen, »Verrückte kennzeichnet. Linna, schau mich nicht so an, du hast mir selbst die Vorlage geliefert.«
    Richtig, das habe ich. Frustriert stelle ich fest, dass ich nicht drum herumkomme, ihm davon zu erzählen, und wahrscheinlich ist es genau das, was er aus mir herauszukitzeln versucht. Ob im Auftrag der anderen oder für sich selbst, ich weiß es nicht.
    »Später«, vertröste ich ihn. Ich muss mir erst

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