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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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kam nicht in meinen Träumen vor, so weit hatte ich nicht gedacht – ach, so weit denke ich nie, die Entscheidung zu derlei Taten will ich allein den Männern überlassen, es käme mir selbst in meiner Fantasie wie eine Vergewaltigung vor, sie das tun zu lassen, aber jetzt … jetzt …
    Mein Oberkörper sackt nach vorne und meine Finger suchen seinen Hals, seine Haare, irgendetwas, ich muss mich festhalten, sonst kippe ich kopfüber auf sein Bett, er soll aufhören, nein, er soll auf keinen Fall aufhören – doch, aufhören, ich kann kaum mehr denken …
    Und sollten wir uns nicht erst küssen? Ich bin kein Spießer, aber eigentlich fängt man mit einem Kuss an. So hatte ich mir das jedenfalls ausgemalt. Nicht dass mir das hier nicht gefällt, es gefällt mir so gut, dass es mir fast die Besinnung raubt, aber wie sollen wir so zum Küssen übergehen, das wird schwierig, außerdem …
    Doch. Wir können. Und es ist gar nicht schwierig. Verdutzt sehe ich Falk dabei zu, wie er sich wieder aufrichtet und verträumt zu mir hochsieht, um mich kurzerhand zu packen und neben sich aufs Bett zu ziehen, bis wir voreinander knien und Luna einen abgrundtief enttäuschten Hundeseufzer ertönen lässt. Pfui ist das, was Herrchen hier tut, böses, liederliches Pfui.
    Unsere Münder suchen und finden sich so schnell, dass ich nicht einmal mehr realisieren kann, mich selbst zu schmecken, als ich ihn schmecke; gleich der erste Kuss ist ein Zungenkuss, wieder falsche Reihenfolge, zuerst berühren sich unsere Zungen und nicht unsere Lippen, auch etwas, was ich anders geplant hatte. Ich hatte an einen Kuss voll nervenzehrender Langsamkeit gedacht, zögernd und zärtlich, doch jetzt fressen wir uns gegenseitig auf. Mehr Bisse als Küsse. Der Zug für den langsamen Kuss ist abgefahren, und zwar endgültig. So küsst man sich nur beim allerersten Mal. Oder beim Wiedersehen nach langen Jahren der Einsamkeit, wenn man sich ein wenig fremd geworden ist. Doch wir sind uns nicht fremd.
    Mit beiden Händen greife ich nach Falks Longsleeve, es stört mich, doch er kommt mir zuvor und reißt es sich einarmig über den Kopf, wobei sich sein Haargummi löst und seine Locken mein Gesicht streifen. Blinzelnd öffne ich die Augen. Ich muss sehen, was ich fühle. Nicht sein Gesicht, sondern seinen Körper. Mit allen zehn Fingern fahre ich durch sein Brusthaar und reibe dann meine Wange daran, während Falk versucht, sich möglichst zeitsparend aus seiner Hose zu befreien, was noch schwieriger ist, wenn man sich bereits im Bett befindet, aber er ist beweglich und er hat es plötzlich doch eilig. Beim dritten Versuch klappt es.
    »Du hättest dich nicht waschen dürfen«, beklage ich mich, als ich meine Nase durch seinen Pelz wandern lasse. Ich rieche ihn nur noch ganz schwach, ich muss darauf vertrauen, dass der Geruch stärker wird, wenn wir miteinander schlafen und seine Pheromone im Sekundentakt ausgeschüttet werden. Bei manchen Männern quittiert dann selbst das stärkste Deo seinen Dienst, mit einem Mal beginnen sie mitten im Liebesakt zu stinken wie ein Iltis.
    »Maggie hat sich schon beklagt, ich musste baden«, nuschelt Falk in mein Ohr. Sein Atem geht schwer und seine Hüften glühen wie im Fieber. Lange wird er nicht mehr warten können, meine Inszenierung ist dahin, ach, sie hat gar nicht erst stattgefunden, nichts ist so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Unsere Körper kennen sich schon, sie haben keinen Grund, Kunstpausen einzulegen oder gar zögerlich zu sein. Sie holen sich, was wir ihnen damals verwehrt haben, ohne Rücksicht auf meine ausgefeilte Choreografie, und für einen Moment möchte ich mich flach aufs Bett fallen lassen und losheulen – ich würde es tun, wenn es mir nicht eine solch helle Freude bereiten würde, meine Nase in Falks Achselhöhle zu stecken und seine Hände auf meinem Gesicht zu spüren … meinem Hals … meiner …
    »Du willst sicher immer oben liegen, stimmt’s?«
    Habe ich da Spott gehört? Spottest du, Falk? Oder war das eine ernst gemeinte Frage?
    »Ich … äh …«, stottere ich fahrig. »Ich, nein, eigentlich …«
    Ohne meine Antwort abzuwarten, greift er mit der linken Hand um meinen Hinterkopf und wälzt mich auf den Rücken, und ehe ich bis drei zählen kann, habe ich ihn zu mir geholt, nein, er kann nicht länger warten, ich wusste es doch, ich kann es auch nicht, aber … Falk hält inne, unser Atem geht nun im gleichen Rhythmus, jede Pause ist jetzt verkehrt, doch das Leben und der

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