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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Tod zwingen uns zu ihr, alles andere wäre leichtsinnig.
    »Ich hasse die Dinger«, knurrt Falk und ich würde ihm beipflichten, wenn ich mich noch dazu bestimmt fühlen würde, Wörter zu formen, anstatt meine Zähne in seinen Hals zu drücken, was es ihm spürbar erschwert, das lästige Ding überzuziehen. Doch es wäre dumm, nichts zu machen und einfach nur dazuliegen und zu warten, bis er damit fertig ist. Das ist der absolute Lustkiller. Also muss ich so tun, als wäre gar nichts oder, noch besser, als würde dieses leidige Prozedere dazugehören und mich nur zusätzlich anheizen. Was eine Lüge ist, aber immerhin rieche ich das Gummi nicht mehr, ich höre es nur noch, ein quietschendes, maschinelles Geräusch, es passt nicht zu unserem Seufzen und Stöhnen und dem Knistern seines Brusthaars … Endlich, es ist vollbracht, jetzt muss es nur halten, bitte, lieber Gott, lass es halten und nicht abrutschen oder platzen oder … oh … Da ist er ja schon.
    »Du musst mich mal besuchen kommen in Oz«, raunt Falk, während er sich zu bewegen beginnt, seine Hand wieder um meinen Hinterkopf gelegt, was mir das Gefühl gibt, zerbrechlich zu sein wie eine chinesische Porzellanvase, wertvoll und fragil. Aber warum redet er? Was gibt es in diesen Sekunden bitte schön zu reden außer der ein oder anderen schmutzigen Aufforderung?
    »Hab ein Haus auf Stelzen, typischer Queensland-Style … mit großer Terrasse, immer ein kaltes Bier im Kühlschrank …« Kaltes Bier!? Er redet von Bier?
    »Falk, du … nichts sagen, bitte … ich … ich muss mich konzentrieren …«
    Sein Zwerchfell beginnt zu zucken; nur meinen Kopf lässt er nicht los, während er zu lachen anfängt, alles andere gerät aus den Fugen, unsere Körper verlieren sich. Es ist futsch. Voller Scham versuche ich meinen Kopf im Kissen zu verbergen.
    »Linna … schau mich doch mal an …«
    Nein, ausgeschlossen. Ich finde es niederschmetternd genug, was gerade passiert ist, ich kann ihn nicht ansehen. Ich sehe Männer generell nicht gerne an, während ich mit ihnen schlafe, denn meistens ist es kein erfreulicher Anblick. Ach, was heißt meistens – es ist nie ein erfreulicher Anblick. In der Regel gucken sie, als habe man ihnen gerade bei lebendigem Leibe das Hirn entnommen. Doch vor allem geben mir meine geschlossenen Augen das Gefühl, selbst nicht angeschaut zu werden. Ganz ehrlich, niemand sieht beim Sex gut aus. Nur in Filmen. Aber das hier ist kein Film. Das ist allerhöchstens Slapstick.
    »Du bist rausgerutscht«, stelle ich ernüchtert fest. Ach, was soll’s, ich kann die Augen auch öffnen, es ist sowieso vorbei. Das Kondom können wir jetzt nicht mehr verwenden, zu riskant, und noch einmal das Gefummel und Geknister … nein.
    Falk scheint das alles nicht im Geringsten zu beeindrucken. Gut gelaunt blinkert er mich an, doch ich sehe auch eine zarte Verblüffung in seinen Augen. Ja, so hat er sich das asiatische Biest nicht vorgestellt, ich weiß.
    »Wir haben Mike Oldfield entweiht«, setze ich zutiefst betrübt hinterher, als er nichts sagt, nicht zu seiner Verteidigung und auch nicht zu meiner. Offensichtlich ist es ihm Beschäftigung genug, mich anzugucken und sich an meinen und seinen mangelhaften Bettqualitäten zu ergötzen.
    »Wie bitte?«
    »Ich hatte die ganze Zeit Musik von ihm im Kopf. Und jetzt … jetzt …« Jetzt werde ich No Man’s Land nie wieder hören können, ohne an diese sexuelle Katastrophe zu denken. Es ist vorbei, bevor es zu Ende ist. So was hatte ich noch nie. Stört es Falk denn gar nicht? Hat er nicht den Drang, es wenigstens manuell zu Ende zu bringen? Soll ich vielleicht …? Aber nein, es ist geschehen, das war’s, ein Versuch, kein Treffer.
    Jetzt müsste ich eigentlich aufstehen, eine Ausrede flöten und unter die Dusche springen, in der Hoffnung, dass der Mann meiner einstigen Gelüste mich vergessen hat, wenn ich zurückkomme, und ich in mein Zimmer verschwinden kann. Aber in dieser vermaledeiten Hütte gibt es kein Badezimmer und auch keine Dusche und ich sehe mich nicht in der passenden Verfassung, nach draußen zu gehen, Schnee zu schmelzen und vorher den Ofen der Badestube anzufeuern. Außerdem bin ich doch erst seit zehn Minuten hier. Das kann nicht alles gewesen sein, auch wenn ich bis zu diesem Punkt nicht geplant habe, niemand plant so etwas. Das ist ein sexueller Horrortrip. Auch das Kondom habe ich in meinen Träumereien vergessen. Im Traum gibt es weder Aids noch ungewollte Schwangerschaften.
    Falk

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