Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Derjenige, der gedreht hat, darf demjenigen, auf den die Flasche zeigt, eine Frage stellen. Diese Frage darf privat sein, sollte den Rahmen des guten Geschmacks aber nicht sprengen. Der Spielleiter – das bin ich, wenn ihr nichts dagegen habt?« Wieder blickt Simon in die Runde. Wir schütteln den Kopf. »Gut. Der Spielleiter darf Fragen ablehnen, falls sie ihm sittenwidrig, sexistisch oder in sonstiger Art und Weise ungehörig erscheinen. Besteht der begründete Verdacht, dass ein Teilnehmer seine Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet oder sich herausredet, darf ihm eine weitere Frage gestellt werden, welche die anderen Teilnehmer gemeinsam und geheim auswählen. Erst nach der dritten und damit der zweiten gemeinsam gewählten Frage, die als nicht wahrheitsgemäß beantwortet betrachtet wird, wird eine Strafe fällig. Es bleibt den anderen Spielteilnehmern überlassen, ob, wie und wann sie diese Strafe ausführen und wer von ihnen das tut. Die Strafe darf nicht den Strafbestand der Körperverletzung, Verleumdung oder seelischer Grausamkeit erfüllen. – Das ist mir wichtig, okay? Habt ihr das verstanden?«
    Wieder nicken wir. Seelische Grausamkeit. Ich weiß, das ist eine juristische Standardformulierung und Simon will sich nach allen Seiten absichern, aber mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Glaubt er, wir seien zu solchen Dingen in der Lage? Oder weiß er, dass die anderen mir die Sache mit der Band so sehr nachtragen, dass sie sich zu Taten hinreißen lassen würden, die Leib und Seele gefährden? Meinen Leib und meine Seele?
    »Dann setzen wir uns.«
    Tobi hat sich bereits hingesetzt, während Simon die Regeln vortrug, nun folgen ihm Jules, Maggie und Simon und dann ich. Nur Falk bleibt am Ofen stehen.
    »Du nicht, Falk?«, fragt Jules verwundert – oder sogar enttäuscht? Wenn Falk sich ausgrenzt, wird das Spiel nicht stattfinden. Das muss ihm klar sein. Er wäre derjenige, der die Gruppe spaltet. Gleichgültig zuckt er mit den Schultern.
    »Na, von mir aus. – Ihr Deutschen seid echt komisch …«, setzt er kaum hörbar hinterher. Ihr Deutschen? Wie meint er das?
    Simon reicht jedem von uns die Schüssel mit den Nüssen, aus der wir uns eine herausgreifen sollen.
    »Die größte Nuss entscheidet über den Teilnehmer, der mit dem Drehen beginnen darf. Hat jeder eine Nuss? Dann streckt eure Hände aus.«
    Schweigend gehorchen wir. Ich dachte es mir schon, als ich sie in meiner Handfläche gefühlt habe: Meine ist die Gewinnernuss. Ob ich versuchen soll, das Drehen der Flasche zu kalkulieren, damit sie bei Falk stehen bleibt? Und ich ihn etwas Privates fragen kann? Aber was sollte das sein? Etwa zu unserer Nacht? Nein, nicht beim ersten Mal, das wäre zu aufdringlich. Ich bin bestimmt gleich wieder dran, wie ich mein Glück beim Flaschendrehen kenne. Also überlasse ich das Spiel dem puren Zufall, als ich die Flasche mit Schwung um die eigene Achse wirbele. Ihr Hals bleibt direkt vor Simons Knien stehen. Na, wunderbar, ich darf den Zeremonienmeister persönlich befragen.
    »Warum bist du eigentlich so spießig gewor–?«
    »Er ist nicht spießig!«, entrüstet sich Maggie, ehe ich meine Frage aussprechen kann. Ich muss lachen; die Situation erinnert mich zu sehr an früher, als Maggie für Simon geantwortet hatte, bevor er nur den Mund aufmachen konnte.
    »Heißt du Simon?«
    »Nein, aber …« Maggie schüttelt erregt den Kopf.
    »Dann lass ihn antworten. Das kann er doch, oder?«
    »Klar kann ich das«, entgegnet Simon gefasst. Doch ich sehe, dass seine Brille leicht beschlagen ist, als er sie nach oben schiebt. »Ich finde nicht, dass ich ein Spießer bin. Ich habe mich weiterentwickelt. Na und?«
    »Weiterentwickelt?« Ich muss erneut lachen. »Simon, erinnere dich mal an damals und sieh dich jetzt an, das muss dir auffallen! Du bist ziemlich kleinkariert und humorlos geworden und was du so anhast …«
    »Das sind doch Oberflächlichkeiten«, meldet sich Maggie erneut zu Wort. »Kleidung, wen interessiert das denn, das macht doch keinen Menschen aus.«
    »Aber es kennzeichnet ihn. Dir ist es auch nicht egal, was du morgens aus deinem Schrank ziehst. Es ist außerdem nicht nur die Kleidung, es ist alles, die Art, wie er redet und sich benimmt …«
    »Ich glaube, das führt zu weit«, unterbricht Simon mich mit leiser Schärfe. »Du willst wissen, warum ich geworden bin, wie ich bin. Ganz einfach, mir macht das Spaß, was ich tue. Ich studiere gerne Jura und ich engagiere mich gerne im RCDS

Weitere Kostenlose Bücher