Linna singt
spinnst.« Falk greift nach meinen Armen, bettet sie um seinen Hals und dreht sich dann in der Hocke um, bevor er meine Handgelenke festhält und sich mit meinem Gewicht auf dem Rücken hochstemmt. Ich würde gerne nach ihm treten oder mich losreißen, in gesunder Verfassung wäre mir das ein Leichtes, selbst bei einem Kraftpaket wie Falk. Doch mein Körper gehorcht mir nicht und meine Beine schlingen sich wie von selbst um seine Hüften, damit er mich besser tragen kann. Sein Atem geht keuchend, während er um die Schneewehen herum den Hang hinauf zur Hütte erklimmt; weit habe ich es wahrlich nicht geschafft, das waren höchstens hundert Meter, mehr nicht. Keine Glanzleistung.
Ich möchte meinen Kopf drehen, um zu sehen, welchen Schaden die Lawine angerichtet hat, doch stattdessen lehne ich meine Wange vertrauensvoll an Falks Anorak und registriere benommen, wie meine Lider zufallen und mein Puls beginnt, im Takt von Falks Schritten zu arbeiten … langsam … gemächlich … ein beruhigender, einlullender Rhythmus … kraftvoll und weich.
»Linna, wach auf, nicht schlafen! Wach jetzt auf!«
Ich will die Hand wegschlagen, die auf meine Wangen klopft, sie soll mich in Ruhe lassen, ich will mich doch nur ausruhen, lass mich in Ruhe. Ich will schlafen. Mehr nicht. Schlafen …
»Linna! Bleib wach!«
Jemand schüttelt mich und zerrt dabei an meinen Armen und Beinen und ich registriere unwillig, wie meine Gedanken klarer und fester werden und die Müdigkeit sich zurückzieht. Knurrend öffne ich die Augen.
Falk kniet vor mir und versucht, meine Hose auszuziehen. Distanziert stelle ich fest, dass sie vom Knie abwärts steif gefroren ist. Helfen kann ich ihm dabei nicht, da ich meine Beine nicht spüre. Ich sehe sie, aber sie gehören nicht mehr zu mir. Wo bin ich überhaupt? Das ist nicht mein Zimmer, es ist ein bisschen größer und freundlicher als meines, es hat sogar einen eigenen kleinen Ofen, aber wir sind zurück in der Hütte, dort, wo ich auf keinen Fall sein will, jetzt ist alles wieder wie vorher, meine Flucht war umsonst, wegen einer vollkommen überflüssigen Lawine …
Wie ein Häschen in der Falle sehe ich Falks Bemühungen zu, mich auszuziehen.
»Gürtel«, versuche ich ihm einen Tipp zu geben, doch er hatte schon die gleiche Erleuchtung und öffnet ihn mit zwei sicheren Griffen, um mich auf die Beine zu hieven und die Hose in einem Ruck über meinen Hintern zu zerren, was nicht gelingen wird, weil …
»Shit«, knurrt er und reißt so fest an den Gürtelschlaufen, dass eine Naht kracht. Ich will ihm sagen, dass die Hose teuer war und er gefälligst etwas behutsamer damit umgehen soll, doch ein solcher Satz ist zu lang und zu kompliziert und allein das simple Wörtchen »Gürtel« hat mich bereits von Grund auf erschöpft. Falk muss sich ohne Regieanweisungen an meiner Jeans abmühen, die so eng sitzt, wie eine gute Jeans sitzen muss, und das zieht nun mal nach sich, dass man sie nicht ohne Weiteres vom Leib streifen kann. Eine gute Jeans ist so sicher wie ein eiserner Jungferngürtel.
Auch meine lange Unterhose ist vom Knie abwärts gefroren, doch bei ihr muss Falk nur an den eisverkrusteten Bündchen reißen, während ich hintenüber auf sein Bett kippe, auf dessen Kante ich gerade gesessen habe. Das, was wir hier tun, ist an knisternder Erotik kaum zu überbieten, denke ich ermattet, während Falk mir je Fuß zwei eisverklumpte Paar Kuschelsocken von den Zehen schält, einmal grau und einmal braun, mit Angora und extraweichen Nähten. Dann kniet er sich hinter mich und stülpt mir unsanft einen Pullover nach dem anderen über meinen belämmerten Kopf – drei sind es insgesamt –, bis ich in zweifelhafter Unterwäsche vor ihm liegen bleibe. Meine Füße fangen auf einmal so erbarmungslos an zu schmerzen, dass ich meinen Kopf drehe und in die Bettdecke beiße, um nicht aufzuwimmern, doch Falk kennt keine Gnade, sondern beginnt sie mit einem kratzigen Frotteehandtuch abzurubbeln, eine Prozedur, die das stechende Prickeln in ihnen auf die Spitze treibt und die es deutlich an rücksichtsvoller Sanftheit vermissen lässt.
Offensichtlich glaubt er, ich würde sterben, wenn er mich nicht dieser herzlosen Folter unterzieht. Ich könnte ihm sagen, dass man mich schon teeren und federn und anschließend ertränken und mit Schüssen durchlöchern und verbrennen müsste, am besten alles gleichzeitig, um mich umzubringen, aber ich lasse seine unerfreulichen Wiederbelebungsmaßnahmen klaglos über mich
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