Lions - Feuriger Instinkt
sie ihm nichts sagen wollte, ärgerte ihn maßlos.
Jess war das aber egal. Sie hatte im Moment größere Probleme.
May hatte die Nachricht über die mögliche Rückkehr ihres Ex nicht sehr gut aufgenommen. Sie war in verzweifelte, panische Tränen ausgebrochen, war davongelaufen und zum Hinterausgang hinausgerannt, bis Danny sie einholte. Dann standen die fünf in der Kälte und taten ihr Möglichstes, sie zu beruhigen.
Danach hatten sie die Strategie und ihre nächsten Schritte besprochen. In diesem Stadium die ganze Meute zu informieren, wäre nicht gut, denn es bestünde die Gefahr, dass es sich wie der Blitz durch die Welpen-Gerüchteküche verbreitete und bei Kristan landete. Sie würden den Rest der Meute auf Trab bringen, wenn es nötig wurde.
Jetzt dagegen musste sie mit einem neugierigen Wolf fertigwerden. Ein neugieriger Wolf, der wusste, dass sie log. Sie standen sich direkt gegenüber, während er sie ausfragte und versuchte, ihr ein Bein zu stellen, um die Wahrheit herauszufinden. Sie stolperte nicht. Sie hatte das Lügen gelernt, damals, als die Meute noch Windeln und Babynahrung für die neu angekommene Kristan stahl. Es machte Jess nichts aus zu lügen, um ihre Meute zu beschützen; wenn Smitty also hoffte, irgendwelche Schuldgefühle in ihren Augen zu finden, brauchte er gar nicht erst zu suchen. Sie hatte keine.
Irgendwann, als ihm bewusst zu werden schien, dass seine Fragen sie nicht im Mindesten verwirrten, schnappte Smitty das Handy, das an seiner Jeanstasche hing, und klappte es auf.
Stirnrunzelnd fragte Jess: »Wen rufst du an?«
»Mace. Wenn Leute versuchen einzubrechen – und das willst du mir ja sagen, richtig?« Sie nickte, während sie einander finster ansahen. »Dann müssen wir dieses Gebäude abriegeln. Heute Abend.«
»Abriegeln?« Abriegeln klang teuer. »Ich erinnere mich nicht, gesagt zu haben, dass wir das bezahlen.«
»Hast du auch nicht. Aber ihr werdet bezahlen.«
Jess’ Augen wurden schmal, und sie streckte den Arm aus, um seine Nippel zu verdrehen, doch May schlug ihre Hand herunter.
Wie immer versuchte May, die Lage zu glätten. Mit falscher Fröhlichkeit fragte sie ihre Tochter, die das Machtspiel zwischen Jess und Smitty mit offensichtlichem Eifer verfolgt hatte: »Und was tut ihr hier?«
Kristan schnappte Johnny am Kragen und riss ihn nach vorn. »Johnny hat euch etwas zu sagen, Leute.«
Doch Johnny sah aus, als wäre er lieber eine Million Kilometer von hier weg.
»Na los«, drängte Kristan. »Sag es ihr.«
Mit einem Seufzen zog Johnny einen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn Jess. Sie fürchtete sich fast davor, ihn zu nehmen. Was nicht überraschte, da die meisten Umschläge, die irgendeins der Kinder nach Hause brachten, normalerweise von ihrer Schule kamen und es um etwas ging, das sie getan oder nicht getan oder gesagt oder besser nie gesagt hätten.
Ohne den Umschlag anzusehen, zog Jess das zerknitterte, aber hochwertige Papier heraus und las es kurz durch.
Mit einem tiefen Atemzug schaute sie zu Johnny auf. »Du bist drin.«
»Warte. Was?« May schnappte sich den Brief, und die anderen beugten sich vor, um mitzulesen. »Er ist nicht nur drin«, sagte sie schließlich, »er hat ein volles Stipendium!«
Ohne einen von ihnen ansehen zu wollen, zuckte Johnny abschätzig mit den Schultern. »Es ist nur ein Sommerkurs.«
»Du bist drin«, sagte Jess wieder. Dann warf sie sich auf ihn.
»Okay. Wir sehen uns, wenn du hier bist.« Smitty klappte sein Handy zu und klemmte es wieder an seine Jeans. Er drehte sich, um Jessie zu sagen, dass Mace und der Rest seines Teams in der nächsten halben Stunde auftauchen würden, und stellte fest, dass sie, May und Sabina sich auf den Jungen gestürzt hatten. Sie hatten die Arme um ihn geschlungen und drückten ihn. Ein Teil von ihm wurde irgendwie ein bisschen sauer darüber, bis der Kleine ihn ansah. Er konnte es in den Augen des Jungen lesen – ein deutliches Flehen um Hilfe.
Er ging hinüber und hörte Jess sagen: »Ich bin so stolz auf dich.«
»Das sind wir alle«, fügte May hinzu.
Johnny sah aus, als hätte er alles gegeben, wenn er die Frauen von sich hätte stoßen und fliehen können. Natürlich hätte das nie funktioniert. Sie waren schnell. Sie hätten ihn einfach wieder eingefangen.
»Mace ist auf dem Weg hierher«, sagte er zu Jessies Rücken. »Er sagte, er sei nicht überrascht, dass er eingreifen und euch helfen muss. Da Sicherheit ja nicht gerade eure Stärke ist.«
Es dauerte eine
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