Lippels Traum (German Edition)
Frau Jeschke.
Frau Jeschke freute sich über seinen Besuch.
»Hallo, Lippel«, empfing sie ihn. »Hast du heute schlechte Laune? Du machst so ein finsteres Gesicht. Was hast du denn auf dem Herzen?«
»Viel«, sagte Lippel. »Es ist wegen Frau Jakob. Erst hat sie den Hund aus dem Haus geschafft und jetzt will sie Hamide und Arslan nicht reinlassen.«
Er erzählte ihr alles.
Frau Jeschke schüttelte den Kopf. »Das mit dem Hund kann ich ja noch verstehen«, sagte sie. »Wenn es auch schade ist. Ich habe ihn gern gefüttert …«
»Ich auch!«, sagte Lippel aus vollem Herzen.
»… Aber das mit deinen Freunden verstehe ich nicht! Was machen wir da nur? Du kannst doch nicht morgen zu ihnen sagen: Ihr dürft nicht kommen, weil ihr Türken seid!«
»Ja, genau. Die wären so gekränkt, die würden überhaupt nicht mehr mit mir reden. Aber ausladen muss ich sie ja wohl. Was sage ich ihnen nur?«
»Du musst ihnen gar nichts sagen. Weißt du was: Ihr kommt alle drei zu mir zum Essen! Ist doch egal, ob ihr hier esst oder bei euch.«
»Machen Sie das wirklich?« Lippel freute sich unbändig.
Frau Jeschke lächelte. »Wenn sie dich fragen, musst du ihnen natürlich sagen, dass du nicht hier wohnst. Wir wollen sie ja nicht belügen. Aber du brauchst ihnen nichts von Frau Jakobs dummen Sprüchen zu erzählen. Du sagst einfach, dass deine Eltern nicht da sind und dass wir deshalb hier essen.«
»Das stimmt ja auch«, bestätigte Lippel und ging gut gelaunt nach Hause.
Beim Abendessen fragte Frau Jakob: »Hast du dich damit abgefunden, dass diese Türken morgen nicht hier essen?«
»Ja, ja«, sagte Lippel fröhlich. »Ich esse ja auch nicht hier. Wir essen alle drei bei Frau Jeschke.«
»Wie bitte?« Frau Jakob fiel fast die Gabel aus der Hand. »Bei Frau Jeschke?«
Lippel nickte.
»Das tust du nicht!«, sagte Frau Jakob streng.
»Was?«
»Du isst morgen hier!«
»Ich esse mit Hamide und Arslan. Wenn die hier essen dürfen, esse ich auch hier«, sagte Lippel.
»Willst du mich erpressen? Du wirst hier essen. Und zwar mit mir und mit niemandem sonst!«
»Nein«, sagte Lippel mutig.
»Das werden wir ja sehen!«, drohte Frau Jakob. »Du isst hier!«
»Nein!«
»Du bist ein unverschämter Junge! Du gehst zur Strafe sofort ins Bett, verstehst du! Da kannst du dir dann überlegen, wo du morgen zu Mittag isst!«
»Meinetwegen«, sagte Lippel.
Er ging in sein Zimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett. Ständig musste er an Hamide und Arslan denken. Aber das durfte er jetzt nicht, er wollte doch seine Geschichte zu Ende träumen! Er versuchte die Gedanken an seine beiden Freunde wegzuschieben und nur morgenländische Gedanken zuzulassen. Er stellte sich erst die Hauptstadt vor, dann die Gasse, die Herberge zum Wilden Kalifen, den Innenhof, und gerade als er beim Zimmer in der Herberge angelangt war, schlief er ein und träumte gleich dort weiter.
Der fünfte Traum
ippel fragte gespannt: »Ist euch in der Zwischenzeit etwas eingefallen?«
Asslam schüttelte den Kopf. »Nichts!«, sagte er kurz.
»Mir leider auch nicht«, fügte seine Schwester hinzu.
»Ich hatte eine Idee«, sagte Lippel. »Aber ich habe sie vergessen!«
Es klopfte. Asslam huschte zur Tür und lauschte.
»Wer ist da?«, fragte er leise.
»Ich! Die Wirtin!« Die dicke Wirtin guckte ins Zimmer. »Es ist beinahe Mittag und ihr habt immer noch nichts gegessen. Was ist mit euch? Was tut ihr hier drinnen?«
»Wir denken nach«, sagte Asslam.
»Du kannst ja reden!«, rief sie. »Ein Stummer kann wieder reden und alle sitzen traurig herum! Das verstehe ich nicht. Was habt ihr nur?«
»Eigentlich können wir es ihr ja sagen«, meinte Lippel. »Sie wird uns bestimmt nicht an die Wächter verraten.«
»Was sagen?«, fragte die Wirtin.
»Ich bin Prinz Asslam, der einzige Sohn des Königs und Thronerbe. Und das hier ist Prinzessin Hamide, meine jüngste Schwester«, sagte Asslam würdevoll.
»Du ein Prinz?« Die Wirtin lachte schallend. »Zwei schmutzige Kinder mit zerrissenen Kleidern und wollen Prinz und Prinzessin sein!«
Hamide zog ihren goldenen Armreif ab und gab ihn der Wirtin.
»Lies, was innen steht!«, sagte sie.
Die Wirtin blickte ungläubig auf Asslam und Hamide und betrachtete dann den Armreif.
»Das königliche Wappen!«, rief sie erschrocken und verneigte sich davor. »Ihr habt den Schmuck doch nicht gestohlen?!« Sie schaute noch einmal von Asslam zu Hamide und sagte dann unsicher: »Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich
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