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Lippels Traum (German Edition)

Lippels Traum (German Edition)

Titel: Lippels Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Maar
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wollte nicht wieder so nass werden wie am Tag zuvor.
    Schon auf halbem Weg bereute er es. Obwohl es ja noch früh am Morgen war, schien die Sonne schon recht warm. Kein einziges Wölkchen war zu sehen. Es würde ein heißer Tag werden! Am liebsten wäre er wieder umgekehrt und hätte den Mantel nach Hause gebracht. Aber dann wäre er zu spät gekommen. Er beschloss, ihn einfach in der Schule zu vergessen. Bei diesem Gedanken besserte sich seine Laune wieder. Eigentlich sehr praktisch, dachte er. Der Mantel hing dann an der Garderobe vor dem Klassenzimmer, und wenn es irgendwann einmal nach der Schule regnen sollte, hatte er gleich einen Regenschutz.
    Seine Laune wurde noch besser, als er in die Herderstraße einbog und entdeckte, dass Hamide und Arslan vor ihm hergingen. Er rannte ein Stück, bis er sie eingeholt hatte. Gemeinsam gingen sie weiter.
    »Kommst du heute? Zum Essen?«, fragte Hamide.
    Lippel nickte. »Nach der Schule gehe ich mit zu euch.«
    »Schön!«, sagte Hamide.
    »Gut!«, sagte Arslan.
    »Was gibt es denn zu essen?«, wollte Lippel wissen.
    »Weiß nicht.« Arslan zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß auch nicht, was es gibt«, sagte Hamide. »Aber ich weiß, was es nicht gibt!«
    »Was denn nicht?«, fragte Lippel.
    »Tomaten!« Hamide lachte. »Das Essen ist nicht fertig, wenn wir kommen. Mama arbeitet im Blumengeschäft bis zwölf. Dann aber macht sie schnell.«
    »Ich kann warten«, versicherte Lippel. »Gestern habe ich mittags überhaupt nichts gegessen. Erst abends!«
    »Bis Abend musst du nicht warten bei uns«, sagte Hamide. »Da täte ich ja verhungern.«
    Der Vormittag in der Schule verging schnell.
    Zuerst hatten sie eine Doppelstunde Deutsch. Frau Klobe gab die Diktate zurück. Lippel hatte einen Fehler, Hamide vierzehn und Arslan dreiundsiebzig.
    Nach der Pause hatten sie zwei Stunden Sport. Zuerst machten sie ein paar Spiele, dann einen Wettlauf. Arslan wurde Erster, Hamide Elfte und Lippel Neunzehnter. Danach mussten sie wieder in die Schule zurück, zur Sachkunde-Stunde.
    Nach dem Unterricht begleitete Lippel Arslan und Hamide nach Hause.
    Es war ein seltsames Gefühl für ihn, als er an der Friedrich-Rückert-Straße vorbeiging ohne abzubiegen, immer weiter die Herderstraße entlang, bis sie zur Bahnhofstraße kamen. Lippel versuchte das Namensschild an der Wohnungstür zu entziffern. (Es war ziemlich düster im Treppenhaus.)
    »Güney« stand da. Er hatte gar nicht gewusst, wie seine neuen Freunde mit Nachnamen hießen. Arslan klingelte. Eine mollige, junge Frau machte auf.

    »Meine Mutter!«, stellte Arslan vor.
    »Güle güle!«, sagte Lippel höflich.
    Die Frau lachte schallend. Arslan und Hamide lachten mit.
    Lippel wurde rot. »Was ist denn? Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er verlegen. »Das war doch der türkische Gruß?«
    »Aber doch nicht, wenn man kommt. Das sagt der, der geht. Das ist so wie ›Auf Wiedersehn‹, verstehst du?«, erklärte ihm Hamide. »Wenn jemand kommt und sagt als erstes Wort ›Auf Wiedersehen‹, muss man lachen. Oder?«
    Lippel lachte auch. »So ist das!«, sagte er. »Nein, ich will nicht gleich wieder weg.«
    Die drei folgten Frau Güney ins Wohnzimmer, wo schon der Tisch mit vier Tellern gedeckt war.
    Lippel schaute sich neugierig um. Eigentlich sah es aus wie in Frau Jeschkes Wohnzimmer auch. Das Einzige, was man gleich als türkisch erkannte, war die Musik. Ein Kassettenrekorder spielte türkische Lieder.
    Dann gab es noch ein paar Fotos und Ansichtskarten neben dem Wandteppich hinter dem Sofa, denen man ansah, dass sie türkisch waren. Lippel betrachtete sie.
    Auf einem Foto sah er eine Stadt. Eine Burg auf einem Felsen überragte sie.
    »Ist Ankara«, erklärte Arslan. »Ich habe in Ankara geboren.«
    »Ich bin in Ankara geboren«, verbesserte Lippel. »Ist Ankara eine große Stadt?«
    Arslan lachte. »Zehnmal so groß wie hier«, sagte er stolz. »Alles groß! Nicht wie hier. Hier ist alles klein. Kleine Stadt!«
    »Findest du?«, sagte Lippel. Ihm kam seine Stadt nicht klein vor.
    »Und wer ist das?«, fragte er weiter.
    »Ist mein Opa und Oma«, erklärte ihm Arslan. »Habe da gewohnt.«
    »Du sprichst doch gut Deutsch!«, lobte ihn Lippel. »Ich weiß gar nicht, warum du nicht reden willst.«
    Frau Güney kam mit dem Essen.
    Das sah allerdings ganz und gar nicht wie deutsches Essen aus, stellte Lippel fest.
    Das Brot war ganz flach, wie ein zu dick geratener Pfannkuchen. Es gab zwar Jogurt. Aber der war nicht etwa süß,

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