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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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sagte keinen Ton, schwitzte ebenfalls vor lauter Angst und überlegte, aus welchen Gründen ich mich nur für zwei Stunden Bettwärme entschieden hatte. War ich denn vollkommen bescheuert?
    Ein paarmal guckte ich Jan von der Seite an und kam zu dem Schluß, daß ich in der Tat bescheuert war. Einfach durchgedreht, nicht mehr zurechnungsfähig – das würde nie mehr was mit mir werden!
    Während Hans brav seine Weine probierte und ins Glas zurückspuckte, seine paar Brocken Italienisch an den Mann oder an die Frau brachte und sich darauf freute, mit mir heute abend ein Nümmerchen zu schieben, war ich dabei, meinen Gefühlen ordentlich einzuheizen, indem ich sie gleich auf einen glühendheißen Grill legte. Besser hätte ich sie für immer und ewig in einer Tiefkühltruhe versenkt!
    Wir parkten das Auto am Stadion, brauchten dann etwa acht Minuten zu seinem Hotel. Im Laufschritt. Zimmernummer dreißig.
    Warum sagst du nichts? dachte ich und betrat ein helles, freundliches Zimmer mit französischem Bett und zwei netten kleinen Nachttischchen in Himmelblau, über dem Bett ein Clown in Pastellfarben.
    »Wie süß!«
    Natürlich hatte ich das ironisch gemeint, aber Jan nickte allen Ernstes zustimmend.
    Ich riß das Fenster auf, Blick auf eine Seitengasse. Unten saß ein alter Mann mit Pfeife im Mund auf einem Hocker und schaute interessiert zu mir hoch. Sofort schloß ich wieder das Fenster, ein ganzer Film lief vor meinem inneren Auge ab. Jan und ich und unser Stöhnen, und der Mann da unten sah unverwandt hoch, griente vielleicht zahnlos oder rief gleich seine Wein-Kumpels, die dann auch noch bei unserem Gebumse Spalier standen.
    Ich ging zu Jan, der sich angezogen auf dem Bett ausgestreckt und die Arme hinterm Kopf verschränkt hatte.
    »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll«, sagte ich und legte mich neben ihn.
    Er roch verschwitzt.
    »Ich weiß es auch nicht, aber laß uns einfach hier Zusammensein, okay?«
    In einem Gewaltakt drehte ich mich auf den Bauch und versuchte, ihn so zu sehen, als hätte ich ihn noch nie geküßt. Als wäre er ein Fremder mit einer Augenfarbe, die sich je nach Lichteinfall veränderte, mit blutleeren Lippen und einer großen Nase, auf der kleine schwarze Punkte zu sehen waren.
    »Was denkst du?« fragte er.
    »Mitesser«, sagte ich, weil ich das Wort tatsächlich gerade gedacht hatte.
    »Wie? Du meinst, ich habe Pickel?«
    »Ja. Und ziemlich eklige sogar.« Ich lachte und gab ihm einen Kuß auf seine Mitessernase.
    Dann rollte ich mich in seinen Arm und lauschte dem Geräusch hoher Absätze, die draußen vorbeiklapperten. Vielleicht war es merkwürdig, aber ich wollte auf einmal keinen Sex. Es genügte mir, einfach neben Jan zu liegen und so zu tun, als wären wirschon seit tausend Jahren verheiratet. Jan ging es offensichtlich ähnlich.
    Wir redeten über alles und eigentlich über nichts: über Gummibärchen und Nudelsorten, über Techniken des Rasierens und integrierten Weinanbau, über Lieblingsfarben bei Bettwäsche und über Giora Feidman und seine singende Klarinette. Bloß keine bedrohlichen Themen wie Katharina und die Kinder. Alles, was sich normalerweise außerhalb dieser vier Wände ereignete, spielte keine Rolle. Und so fühlte ich mich wie in rosa Zuckerwatte gepackt, geborgen und warm, und es kam mir nicht eine Sekunde in den Sinn, daß ich das kuschelige Nest bald wieder würde verlassen müssen. Irgendwann drehte ich Jan den Rücken zu, er umarmte mich von hinten, und so schliefen wir ein.
    Ich wachte erst wieder auf, als die Fensterläden durch einen Windstoß laut zuklappten. Vielleicht hatte ich ja schon die Zeit verschlafen.
    Jan setzte sich auf und schaute auf seine Uhr.
    »Wir müssen los«, sagte er mit bedauerndem Unterton. Bedauern darüber, daß wir nicht miteinander geschlafen hatten? Oder daß wir nicht gemeinsam nach Italien gefahren waren?
    »Hör mal«, sagte ich. »Ich würde dich gern noch einmal treffen, vielleicht läßt es sich einrichten …«
    Jan nahm mich in den Arm und küßte mich zart.
    Wir überlegten hin und her, entschieden uns dann für den nächsten Tag um eins auf dem Campo in Siena, das erste Café links von »Cortecci«. Ich wußte, daß Hans in den umliegenden Ortschaften zu tun hatte, somit konnte ich mir vormittags doch guten Gewissens die Zeit in Siena vertreiben …
    Genauso schweigend, wie wir hergefahren waren, fuhren wir auch zurück. Es war besser so, zumal es absolut in meinem Sinn war, daß Jan sich voll und ganz auf den

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