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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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cremefarbenes, nur leicht tailliertes Kostüm, in ihrem Dekolleté blinkte eine dünne goldene Kette auf verknittert brauner Haut und verschwand an tieferer Stelle zwischen ihren Brüsten. Dezent und gleichzeitig perfekt geschminkte Frauen stachen mir immer ins Auge, besonders weil es mir wie ein Wunder erschien, daß ihrem Lippenstift weder ein Glas Wein noch eine ganze Portion Spaghetti auch nur das geringste anhaben konnten. Ich schielte auf den Teller, der vor ihr auf dem Tresen stand. Eine einzelne Nudel lag dort in einem Rest Tomatensoße.
    Das will ich auch, dachte ich spontan.
    »Maccheroni al pomodoro?« fragte ich die Bedienung, die so nett war, in all dem Trubel auch mal eine Sekunde zu mir rüberzugukken. Dabei zeigte ich einfach auf den Teller meiner Nachbarin, die meinen Blick mit einem Lächeln quittierte.
    Ich lächelte zurück, verlegen, und wartete auf meine Pasta, die mir kurz darauf nach Basilikum duftend hingestellt wurde.
    »Da bere?«
    »Aqua minerale con gaz.«
    »Parla bene l’italiano«, sagte die Frau zu meiner Seite jetzt, was mich noch verlegener machte, zumal ich mich wunderte, wieso man bei so einer einfachen Bestellung überhaupt von Italienischsprechen reden konnte.
    »Grazie«, erwiderte ich höflich, nahm dann meinen Teller und das Wasser, um den noch Anstehenden Platz zu machen und in Ruhe an einem der Stehtische zu essen. Ich nickte der Frau knapp zu, murmelte ein höfliches Arrivederci , und als ich mich umdrehte, sah ich einen Mann reinkommen, der verdammte Ähnlichkeit mit Jan hatte. Ich blieb einfach stehen, guckte ihn an, und wenig später kam aus der Sendezentrale meines Gehirns die Nachricht, der Kerl da ist Jan, es gab nur einen. Dieser eine ließ es sich auch nicht nehmen, freudestrahlend auf mich zuzueilen und mir, obwohl ich einen Teller mit Pasta und ein Glas in den Händen hielt, viel zu stürmisch um den Hals zu fallen. Dann ließ er von mir ab, schaute mich an und lächelte so smart, daß mein Gehirn den dummen Fehler aus Teenagertagen beging und vermehrt Blut in den Kopf zu pumpen begann. Bevor ich mich versah, wurde ich stürmisch geküßt, Jan riß mir den Teller aus der Hand, um ihn einfach auf einem unappetitlichen Berg mit schmutzigem Geschirr abzustellen.
    »Was machst du hier?« Er hatte meine Hand gepackt und war dabei, mich aus dem Lokal zu zerren.
    »Ey ! Ich will meine Nudeln essen!« kläffte ich, endlich wieder im Besitz all meiner Kräfte. Als ob ich wegen eines Exlovers mein Mittagessen in den Müll wandern ließ!
    Ich machte mich los, ging zurück ins »Gambrinus«, aber der Tisch war bereits abgeräumt.
    »Du kriegst neue Nudeln!« säuselte Jan in mein Ohr, was einen ungewollten Hormonschub bei mir auslöste.
    »Miesling, elendiger!«
    Jan zerrte mich wieder nach draußen, wo er mich mitten im Menschenstrom küßte. Es war besser als Nudeln essen, aber das hätte ich nur ungern zugegeben.
    »Ins ›Gilli‹?«
    Ich ließ mich mitziehen, obwohl das bißchen Verstand, das ich noch hatte, dagegen war.
    »Bist du mit Greta hier?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Mit meinem Freund«, sagte ich provozierend.
    »Der von der Party?« fragte Jan schief grinsend, als hätte ich ihm erzählt, ich würde seit einiger Zeit immer in Begleitung achtzigjähriger Herren verreisen.
    Ich reagierte nicht, fragte ihn statt dessen, weshalb er jetzt schon hier sei. Er habe doch gesagt, Ende November …
    »Ein Termin ist vorverlegt worden.«
    »Ach ja?«
    Während wir die Straße überquerten, die Abgase vorbeiknatternder Mopeds einatmeten und vermieden, uns anzusehen, kam müder vage Gedanke, Jan habe alles eingefädelt, Greta gefragt, wann ich fahren würde – Ende gut, alles gut. Katharina habe die Liebe ihres Lebens getroffen, die Kinder seien versorgt und Jan frei … Unmöglich. Er hätte mich nicht gefunden, nicht an so einem Ort, der um diese Jahreszeit zwar nicht mehr von Touristen überquoll, aber trotzdem war es unsinnig zu glauben, daß man jemandem in einer Stadt von Florenz’ Größe auflauern könnte.
    »Was für ein zufälliger Zufall«, dachte ich laut.
    »Es gibt keine Zufälle.«
    »Natürlich gibt es sie.« Ich sah Jan wütend an und wunderte mich, daß er, der sonst nur schmale, dunkle Sakkos trug, eine dieser ekelhaften Barbour-Jacken anhatte.
    Jetzt sagt er gleich, alles ist vorherbestimmt, und er sagte es tatsächlich.
    »Ich wußte nicht, daß du zu der Art von Leuten gehörst, die angroßartige Schicksale glauben müssen, damit ihr Leben einen

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