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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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eine Geschichte sollte ich Hans auftischen? Daß der einzige Mann, den ich wirklich je begehrt hatte, Jan war? Daß ich früher heimlich den Jungs beim Umkleiden zugesehen hatte? Tabus waren Tabus und nicht unbedingt dazu geeignet, daß man sie in die Welt posaunte.
    Dann fiel mir doch etwas ein.
    »Der Freund meines Vaters hat mir mal in den Slip gefaßt, als ich zehn war«, sagte ich. Ich hatte es tatsächlich nie jemandem erzählt, weder meinen Eltern noch meinen Freundinnen.
    Hans sah mich mit starren Fischaugen an. »Das tut mir leid.«
    »Keine Angst. Es ist nicht weitergegangen. Und ich habe keinen Schaden genommen.« Ich schusterte mir ein Lachen zurecht, das Hans nicht akzeptierte.
    »Solche Dinge sind immer schlimm«, sagte er. »Allein, daß du es noch …«
    »Jetzt du«, unterbrach ich Hans. Ich hatte keine große Lust, das Thema zu vertiefen.
    »Okay.« Er nahm sich ein Stück Brot, zerkrümelte es erst eine Weile, bevor er zu sprechen anfing.
    »Willst du es wirklich hören?«
    »Na klar will ich. War doch abgemacht.«
    »Also gut.« Hans schluckte und sagte dann mit belegter Stimme, er habe schon vom ersten Moment an gewußt, daß ich die Frau seines Lebens sei, Eheschließung inklusive, woraufhin ich nur zu lachen anfing. Vermutlich war es nicht die feine Art, aber es ging nun mal nicht anders. Ich fand die Vorstellung, Hans im Angesicht eines popeligen Standesbeamten den Ehering an den Finger zu stecken, einfach nur grotesk.
    »Das habe ich befürchtet«, meinte Hans, klang aber nicht richtig beleidigt.
    »Nimm es nicht persönlich, aber ich hab’s nun mal nicht so mit dem Heiraten.« Hastig trank ich mein Wasser aus. »Außerdem zählt das nicht. Wir kennen uns erst seit kurzem. Ist ja nicht gerade schwer, eine Sache ein paar Monate für sich zu behalten.«
    »Wie du meinst«, sagte Hans kühl.
    »Hast du auch Paul nichts davon erzählt?«
    »Nein.« Es zuckte unmerklich um seine Mundwinkel.
    »Okay, okay. Akzeptiert.« Ich hatte ganz bestimmt nicht vor, die Stimmung zu zerstören, aber Hans schaute mich einfach nur traurig an, so als wolle er sagen, ist mir schon klar, daß ich nicht dein Traummann bin.
    In dieser Nacht preßte er sich wie ein kleines Kind an mich, vielleicht, weil ihm gerade klargeworden war, daß wir einen Punkt in unserer Beziehung erreicht hatten, an dem es vermutlich nicht mehr weitergehen würde – eine Zweckgemeinschaft, die von meiner Seite aus jederzeit kündbar war. Wir schliefen sehr schnell ein, ich träumte von dem Freund meines Vaters und wachte mitten in der Nacht merkwürdig erregt auf. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, daß ich mitten dabei war, es mit Hans zu tun.
    »Was soll das?« fragte ich undeutlich zwischen zwei Küssen, war aber zu träge, mich zu rühren.
    »Man nennt es auch kopulieren«, flüsterte Hans zurück, der um einige Grade klarer im Kopf zu sein schien.
    »Ach so.«
    Wir machten weiter, schlaftrunken, es gefiel mir ausgesprochen gut in diesem Dämmerzustand, zumal sich Hans im Sekundentakt verwandelte. Mal war er es selbst, dann wurde er zu Jan, um im nächsten Moment irgendein gesichtsloser Mann zu sein, und erst als Hans mich in seine Arme nahm und seine schweißnasse Stirn an meine Wange drückte, wurde mir schlagartig klar, was da eben passiert war – der Beweis sickerte sozusagen gerade ins Laken.
    »Bist du eigentlich des Wahnsinns?« schnauzte ich Hans an und knipste das Licht an.
    Hans blinzelte mir rotwangig und verschreckt entgegen. Ich schlug die Decke zurück, vielleicht gab es doch ein Kondom, und ich hatte nur Halluzinationen, aber wie befürchtet lag sein Schwanz nackt und klein und ziemlich schutzbedürftig da.
    »Zum Teufel noch mal!« Ich sprang aus dem Bett und raste ins Bad, um zu retten, was zu retten war. Während ich mich hektisch wusch und dachte, wie albern, das bringt jetzt auch nichts mehr, fiel mir zum Glück ein, daß mein Eisprung vermutlich schon längst stattgefunden hatte. Trotzdem war ich wütend, stinkwütend, und kaum daß ich zu Hans ins Bett zurückgekrochen war, drehte ich ihm auch schon den Rücken zu.
    »Du hast aber gesagt …«, stotterte Hans wie ein kleiner Junge im Kindergartenalter.
    »Was hab ich gesagt?«
    »Los. Mach schnell, hast du gesagt.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Doch.«
    »Unsinn«, beharrte ich und wußte doch gleichzeitig, daß es irgend etwas in mir gab, das mich unter Umständen dazu brachte, solche idiotischen Sätze zu sagen. Zum Beispiel, wenn ich mit Jan zusammen

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