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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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staunende Blick auf den abschüssigen Campo im Fischgrätmuster, an dessen tiefster Stelle der Palazzo Pubblico lag.
    Inmitten all der Reisenden stach Jan als der längste und dünnste ins Auge, gemächlich kam er angeschlendert, schien wohl alle Zeit der Welt zu haben, der Kerl. Ich winkte nicht, kostete vielmehr seine Unsicherheit und sein Unbehagen aus, mich zwischen den Menschen ausfindig zu machen. Ja, such mich nur, es ist dir unangenehm, weil du denkst, ich hab dich längst gesehen und beobachte dich, was natürlich auch der Fall ist …
    Jan entdeckte mich erst, als er gerade an mir vorbeilaufen wollte. Im letzten Moment hob ich die Hand und winkte ihm zu.
    »Ach, da …«, sagte er mit einem Zug um den Mund, als habe erauf eine Zitronenscheibe gebissen. Vielleicht war er auch nur unausgeschlafen.
    Er beugte sich zu mir runter, küßte mich flüchtig, machte aber keine Anstalten, sich zu setzen.
    »Darf ich noch austrinken?«
    »Du darfst.«
    Ich ließ mir Zeit und fragte ihn, warum er sich denn nicht setzen würde.
    »Arschkalt.«
    »Es ist nicht arschkalt. Höchstens kühl. Und das ist normal um diese Jahreszeit.«
    Okay, zahlte ich eben. Auf dem Weg zu seinem Hotel machten wir einen Abstecher in den Supermarkt. Jan kaufte Trauben in Plastikfolie, Prosecco, ein Stück Parmesan, na gut, dachte ich, vielleicht ist das seine Art zu frühstücken.
    »Wir lassen uns Kaffee aus der Bar kommen. Immerhin ist mein Zimmer geheizt«, sagte er, als wir uns schon in die Schlange an der Kasse eingereiht hatten.
    »Was ist denn mit dir los? Du bist doch sonst nicht so zimperlich.«
    Jan rieb sich, ärgerlich über meine kleine Attacke, die Hände. Dann erklärte er mir, daß er es eigentlich hasse, um diese Jahreszeit nach Italien zu fahren.
    Den ganzen Weg zur Pension schwiegen wir. Erst als wir die Teppe zu seinem Zimmer hochstiegen, konnte ich nicht mehr an mich halten:
    »Genauso hab ich mir das vorgestellt!« motzte ich los. »Wir beide in Siena, Traumort aller Traumorte, könnte großartiger gar nicht sein …« Jan schloß derweil sein Zimmer auf, ich boxte ihn in den Rücken. »Hör mal! Ich kann den Tag auch allein verbringen, mich später mit Hans treffen …«
    »Laß mich doch mit deinem Hans in Ruhe!«
    Jan nahm meinen Kopf und versuchte mich zu küssen, was ich aber nicht zuließ. Nur weil er Frau und Kinder besaß und gut im Bett war, hatte er noch lange nicht das Recht, sich wie ein zweiter Hans aufzuführen. Ich blieb einfach im Türrahmen stehen: »Entwederwir klären auf der Stelle, was diese Veranstaltung hier soll, oder – falls du vorhast, weiter deine Stinklaune an mir auszulassen …«
    Weiter kam ich nicht, weil Jan meine Hand ergriff und mich ins Zimmer zerrte. »Tut mir leid.« Mit hölzernen Bewegungen und die Trauben wie ein Baby im Arm wiegend rannte er ins Bad, von wo aus er mir dann eine kleine Ansprache hielt: Um ehrlich zu sein, es passe ihm nicht in den Kram, daß ich mit einem anderen nach Italien gefahren sei, nicht mal gemeinsam essen gehen könne man, die Abende seien einfach ausgeblendet …
    Ach ja, die liebe kleine Eifersucht! Wenn mir nicht so viel an Jan gelegen hätte, wäre ich sicherlich in albernes Gelächter ausgebrochen. So fragte ich ihn nur, ob er sich vielleicht vorstellen könne, daß ich wochenlang unter einem viel schlimmeren Problem gelitten hätte – nämlich die Geliebte auf Abruf zu sein.
    »Liebst du diesen Hans?«
    Jan kam aus dem Bad gestürzt, als könne er etwas verpassen. Ich antwortete nicht. Schließlich ging es ihn gar nichts an, wie und aus welchen Gründen ich mit wem verbandelt war.
    »Vitamine?« Jan hielt mir die tropfhassen Früchte vor die Nase, wollte mir dann eine Traube in den Mund schieben.
    »Bitte nicht ›Neuneinhalb Wochen‹. Ich mag keine Klischees und keine dummen Filme.«
    »Prosecco? Oder lieber Cappuccino?«
    »Cappuccino«, sagte ich, obwohl ich schon kurz vorm Herzkasper war, aber als Jan zum Telefonhörer griff, entschied ich mich kurzerhand um und drückte die Gabel runter. Ich setzte mich aufs Bett, ganz züchtig und immer noch streitsüchtig.
    »Doch Prosecco?« Jan klang auf einmal wie mit Lenor weichgespült. Entweder war ihm klargeworden, daß ich diesen Hans nicht liebte, oder er bekam plötzlich Angst, daß es theoretisch auch anders sein könnte.
    »Gar nichts.« Und ohne Luft zu holen, fügte ich mit neutraler Stimme hinzu: »Ehrlich – ich weiß einfach nicht, was ich von dir halten soll.« Gleichzeitig begann ich,

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