Lipstick
war.
»Du weißt doch, daß ich einen Test gemacht habe.«
»Jaja. Und ich auch!« Wütend schnaubte ich in mein Taschentuch, sah dann einer späten Mücke zu, die sich gemächlich auf meiner Nachttischlampe niederließ. »Ist dir eigentlich bekannt, daß man von so was auch schwanger werden kann?«
»Tut mir leid. Ich war nicht ganz bei Sinnen …«
»Tut mir leid! Nicht ganz bei Sinnen! Hört sich verdammt gut an! Du bist nicht ganz bei Sinnen, und ich darf mich zwanzig Jahre lang mit einem Balg abstrampeln!«
In dem Stil ging es etwa noch eine Stunde weiter. Ich spuckte Gift und Galle und was ich sonst noch so auf Lager hatte, aber wenn ich ehrlich war, fand ich den Gedanken an eine Schwangerschaft auf einmal gar nicht mehr so übel. All die Jahre, in denen ich die Sache theoretisch durchdacht hatte, war sie tatsächlich nie mehr als irgendein Thema gewesen, das mit mir persönlich überhauptnichts zu tun hatte. Und jetzt? Plötzlicher Richtungswechsel, so nach dem Motto, nie wolltest du Austern probieren, und nun, wo sie dir, ohne daß du es gemerkt hast, kredenzt worden sind, findest du sie auf einmal ganz lecker? Aber wahrscheinlich war es sowieso überflüssig, sich darüber Gedanken zu machen, denn warum sollte Hans mich ausgerechnet heute, wo kein Eisprung in Sicht war, geschwängert haben?
Ich schlief ziemlich gut in dieser Nacht. Wohlig, kuschelig und fast selig. Nicht, daß ich meine Bestimmung darin sah, ein krakeelendes, nach Ikea-Rutschen verlangendes Etwas an meiner Seite zu haben, aber die Vorstellung einer Schwangerschaft faszinierte mich.
Morgens beim Aufwachen waren dann tatsächlich eine ganze Reihe Hormone eingeschossen, was Hans sicherlich entzückt hätte, aber weil er schon spät dran war, stellte ich sie einfach für ein, zwei Stunden zurück und freute mich in geradezu perverser Weise auf Jan. Je glücklicher ich mit Hans war – das war mir inzwischen aufgegangen –, desto glücklicher konnte ich auch mit Jan sein.
Hans ließ mich vor Sienas Altstadt raus. Da er nicht abzuschätzen wußte, wann er mit seinen Terminen fertig sein würde, machten wir diesmal keinen Abholtreffpunkt aus. Um so besser für mich. Schließlich hatte ich ja auch keine Ahnung, wann ich mit Jan fertig sein würde.
Ohne die Spur eines schlechten Gewissens spazierte ich durch die Gassen, begegnete Geschäftsmännern und -frauen auf dem Weg zur Arbeit, kaum Touristen, und da ich noch früh dran war, trank ich bei »Nannini« meinen ersten Cappuccino. Ich lauschte dem Klappern der Tassen und dem Brabbeln der Italiener und schaute den fleißigen Bienchen hinter dem Tresen zu. Zu meinem Erstaunen waren ausschließlich Bienenmännchen, also Drohnen, beschäftigt, entweder hatten die Weibchen Wichtigeres zu tun, oder sie waren für diese Arbeit, das Fundament italienischer Lebensart, einfach nicht geschaffen. Einige Drohnen zerrissen nur die Bons und stellten den Stehgästen kurz darauf die Tasse vor die Nase, andere stapelten die leeren Tassen ineinander, um sie einem unsichtbarenGeschirrspüler (oder doch dem weiblichen Teil der Bevölkerung?) anzuvertrauen, eine einzelne Drohne thronte auf einem Podest hinter einem Monstrum von Espressomaschine, um dort so etwas wie einen afrikanischen Fruchtbarkeitstanz aufzuführen: Seine Ellenbogen tauchten in einem exakt ausgeklügelten Rhythmus hinter der Apparatur auf, sein Kopf wackelte dabei, und von Zeit zu Zeit schlängelte sich sein Körper schräg nach vorn, um sich einen ganzen Stapel neuer Tassen zu greifen.
Was Greta wohl sagen würde, wenn Hans mich … Ach, Blödsinn. Es war nicht möglich, und wenn ich mich weiterhin in irgendwelchen kitschigen Vorstellungen von ein-Baby-im-Bauch-Haben verbiß, würde ich mich nicht wundern, eines Tages auch das Glukkendasein, inklusive Windeln wechseln und Bäuerchen hervorlokken, ganz wunderbar zu finden, während die Pölsterchen an meinen Hüften zu riesigen Polstern mit Dellen mutierten und die Brüste zu hängen anfingen – uff! Immerhin brachte mich der Gedanken an letzteres wieder auf den Teppich, und ich freute mich ungeheuer, daß Jan mich noch in alter Frische vorfinden würde.
Wenig später saß ich dann auf dem Campo und trank meinen zweiten Cappuccino. Wie auf ein geheimes Kommando hin füllte sich der Platz mit Menschen: Touristengruppen aus Nord, Süd, West und Japan, und allen gemein war die obligatorische Kopfbedeckung – Sonnenhut, oben spitz zulaufendes Käppi, tropenhelmartige Gebilde – sowie der
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