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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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Verkehr konzentrierte. Außerdem mußte ich mich in der Kürze der Zeit auf Hans einstellen, was mir nicht gerade leichtfiel. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er aussah und wie er redete, aber so sehr ich auch nachdachte, es wollte mir einfach nicht einfallen. Das einzige, woran ich mich erinnerte, waren seine manchmal fahrigen Gesten, und dann hatteich seine grazile Nase vor Augen und verbrachte den Rest der Autofahrt mit der Überlegung, ob Hans vielleicht auch Mitesser hatte.
    Wenig später ließ Jan mich an der Porta Romana raus. Nicht, daß ich etwa nervös wurde, nein! Wenn Hans mich mit Jan sah, dann sah er mich eben mit Jan – es spielte keine Rolle. Weder würde ich ihm etwas verheimlichen noch ihm Sachen aufzwingen, die er vielleicht gar nicht wissen wollte.
    Hans kam genau fünf Minuten zu spät, was verhinderte, daß sich die Kotflügel der beiden Wagen schrammten.
    »Hallo, Schatz!« Hans hatte das Fenster runtergekurbelt und beugte sich nach draußen.
    »Hallo, Schatz!« äffte ich ihn nach.
    Wenn ich eins nicht leiden konnte, dann diese spießige Koseform.
    Wütend stieg ich ein.
    »Nenn mich Schnucki oder Putzi oder Mausi oder Hasi oder Liebling oder meine Augenweide oder Chouchou oder Murkel oder Süße, ist mir scheißegal, aber bitte nicht Schatz, ja?«
    »Haben dich zehn Männer vergewaltigt – oder was ist los?«
    »Hmm«, machte ich nur und rutschte im Sitz eine Etage tiefer. Ich verstand ja selbst nicht, warum meine Laune auf einmal so im Keller war. Vielleicht hing es mit der plötzlichen Umstellung von Jan auf Hans zusammen, da spielte mein Körper eben verrückt.
    Wir schwiegen uns eine Weile an, bis wir aus dem Gehupe und Gestinke des Feierabendverkehrs raus waren und endlich auf die Schnellstraße abbogen.
    »Erzähl mal, was hast du getrieben?« fragte Hans so freundlich, als habe er meinen Ausraster schon vergessen.
    »Bin rumgelaufen. Cappuccino trinken, Nudeln essen. Und so.«
    Hans fragte nach, wollte genau wissen, wie und wo und überhaupt, und da mir erst jetzt einfiel, daß ich die Nudeln ja gar nicht gegessen hatte, überlegte ich, ob ich die Sachlage richtigstellen sollte, sah dann aber doch keinen Sinn darin, über Nudeln oder nicht Nudeln zu diskutieren.
    »Und du?« wechselte ich das Thema, um endlich meine Ruhe zu haben.
    Hans ließ sich nicht lumpen und zählte alle Weingüter auf, die er heute geschafft hatte, listete dann akribisch die gekosteten Weine auf, ohne auch nur ein einziges Mal einen Jahrgang durcheinanderzubringen. Na ja – war ja auch sein Job.
    »Und wo möchtest du heute abend essen?«
    »Mir Wurscht.«
    »Was hast du?« Hans warf mir einen irritierten Blick zu, guckte dann aber sogleich wieder auf die Straße. »Du bist so anders.«
    »Ja, wortkarg«, sagte ich wortkarg.
    »Müde?«
    Ich nickte. Wenn ich nachmittags schlief, war ich danach für mindestens drei weitere Stunden außer Gefecht gesetzt. Ich ließ mich noch ein wenig tiefer sinken, schloß die Augen und freute mich, daß Hans wenigstens vernünftig Auto fahren konnte. Der Abend gehörte ihm, morgen würde ich Jan sehen, den Abend wieder mit Hans verbringen, dann noch ein Tag mit Hans, bevor der Trott zu Hause wieder losging.
    Hans führte mich diesmal in eine kleine, aber exquisite Trattoria in San Gimignano namens »Chiribiri«, wo wir Dinge aßen, die zumindest ich nicht beim Namen nennen konnte. Irgend etwas Fischiges mit Salatigem folgte auf etwas Häppchenartiges, dann hatten wir etwas Fleischiges auf dem Teller, das mit verbranntem Radicchio garniert war und hervorragend schmeckte.
    Unsere Unterhaltung war genauso eigenartig und schön wie das Essen. Erst lief sie etwas stockend an, dann fielen wir uns plötzlich ins Wort und berichteten fast aufgeregt von unseren Schulerlebnissen (Hans war immer der Streber gewesen, wohingegen ich über Jahre keinen Finger krumm gemacht hatte), wir redeten über Lehrer und unsere Lieblingsfächer (Hans Englisch und Geschichte, ich Französisch), und dann schlug Hans plötzlich vor, jeder solle eine Sache aus seinem Leben erzählen, über die er noch nie ein Wort verloren habe.
    Ich fand die Idee reizvoll, hatte gleichzeitig Angst, mir würdenichts einfallen, was fürs Hans’ Ohren bestimmt war, kam dann aber zu dem Schluß, daß ich notfalls ja auch schummeln konnte.
    »Okay«, sagte ich. »Fang du an.«
    »Nein, du. Ich hab noch keine Idee.«
    »Ich auch nicht.«
    Wir mußten beide lachen und genehmigten uns eine alkoholische Denkpause.
    Was für

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