Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
Vom Netzwerk:
eines Hoffnungsschimmers gehabt hatte, verflüchtigte er sich in diesem Moment endgültig in Jans Rauchschwaden.
    »Es wäre eine ziemliche Katastrophe, wenn ich dich geschwängert hätte«, sagte er dann.
    »Mach dir keine Gedanken. Eisprung war schon. Komm, laß uns was essen.«
    Es war das beste so. Sich lieber nicht mit ungelegten Eiern herumquälen. Vielleicht, so dachte ich, als ich mir den ersten Schluck Prosecco genehmigte, wäre es tatsächlich angebracht, Jan ganz sausen zu lassen.
    Spät am Nachmittag standen wir auf, leicht benommen, und liefen ziellos durch ein wolkenverhangenes Siena. Die kalte Luft hinterließ eine wohltuende Frische im Kopf, gleichzeitig wärmte Jan mich, indem er mich ganz fest in den Arm nahm. Ab und zu guckte er mich von der Seite an, und wenn ich zurückschaute, machte er ein ziemlich betrübtes Gesicht.
    »Gehen wir irgendwo was trinken«, schlug Jan vor.
    Ich nickte und beschloß, mir später ein Taxi zu organisieren. Vor sieben, acht Uhr brauchte ich ja wohl nicht im Hotel aufzutauchen.
    Wir nahmen gleich die nächste Bar, sie war klein und verraucht, ein paar Italiener standen palavernd am Tresen, alle hatten sie ein leeres Glas vor der Nase.
    »Da?« Jan steuerte die hinterste Ecke an, den Tisch für verliebte und verkorkste Menschen aller Art.
    »Pastis?«
    »Wir sind nicht in Frankreich.«
    »Macht doch nichts.« Jan ging zum Tresen, ich konnte nicht verstehen, was er bestellte, aber es war mir auch egal. Hauptsache Alkohol. Schließlich feierte ich so etwas wie meinen ganz persönlichen Abschied.
    Doch Pastis. Mir schmeckte das Zeug verteufelt gut, und wahrscheinlich trank ich es viel zu schnell.
    »Alles in Ordnung mit dir?« fragte Jan. Er machte dabei ein Gesicht, als würde er gleich wieder von Katharina anfangen, aber vielleicht täuschte ich mich auch.
    »Klar. Mir geht’s blendend«, sagte ich mit schon schwerer Zunge. Natürlich war das gelogen, aber was sollte ich auch auf die Frage antworten, wo wieder mal um so deutlicher zutage getreten war, daß das alles hier keinen Sinn hatte.
    Ich sah Jan an. Sein Hemd hatte einen seltsamen Farbton irgendwo zwischen Blau und Grau und brachte seine Augen dazu, sich chamäleonartig anzupassen.
    »Warum lächelst du?« fragte er.
    »Weil du so gut aussiehst.«
    Jan grinste geschmeichelt, sagte dann etwas zu artifiziell: »Du kannst alles behaupten, von mir aus, daß ich humorvoll bin, intelligent oder lustig, was weiß ich, aber gut sehe ich nicht aus!« Er prostete mir mit seinem Glas zu. » Du siehst gut aus.«
    »Stimmt nicht. Ich bin zu plump, zu blond, und meine Knie …«
    »Ich habe in meinem ganzen Leben keine Frau mit schöneren Knien getroffen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Mein voller Ernst.«
    Ich erzählte Jan die Geschichte von Tom und seinem Verhältnis zu meinen Knien, woraufhin Jan meinte, Tom sei wirklich ein Idiot.
    Das ging runter wie Butter. Endlich mal ein Mann, der mir Dinge sagte, die ich schon mein ganzes Leben lang hatte hören wollen. Wir nahmen einen zweiten Pastis, dann torkelte ich mit Jan Arm in Arm zum Taxistand vor den Toren der Stadt.
    »Wir sehen uns in Hamburg?« Jan knabberte erst an meinem linken, dann an meinem rechten Ohr.
    »Ja. Also, dann.« Ich hielt ihm meinen Mund hin, und wir küßten uns so lange, bis ich das Gleichgewicht verlor.
    »Ich liebe dich«, sagte ich. Es war das erste und das letzte Mal, daß ich ihm so was sagte.
    Hans war über alle Berge.
    Auf dem Bett lag eine Nachricht. Er habe mich mit diesem Typen gesehen, also sei ja wohl alles klar, und eine Fahrkarte gebe es in Florenz am Schalter. Tschüs. Hans.
    Ich mußte mich erst mal setzen und den Fall überdenken, was angesichts meines Alkoholpegels gar nicht so einfach war.
    Hans. Er hatte mich also tatsächlich in flagranti erwischt und dann einfach seine Koffer gepackt. Über die Alpen und auf und davon.
    Kurz entschlossen griff ich zum Hörer und rief Jan an.
    »Komm sofort zu mir«, sagte er, nachdem ich ihm den Sachverhalt erklärt hatte. Offensichtlich freute er sich, daß ich jetzt frei verfügbar war und sogar mit ihm essen gehen würde.
    Ich packte meine Siebensachen, und als ich die Rechnung verlangte, erfuhr ich, daß Hans immerhin so nett gewesen war, das Zimmer zu bezahlen. Ich ließ mir die Summe bestätigen, natürlich würde ich ihm die Hälfte auf Heller und Pfennig überweisen. Den Triumph, daß er sich zu guter Letzt noch als generöser Gönner aufspielen konnte, würde ich ihm nicht lassen.
    Jan

Weitere Kostenlose Bücher