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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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hatte Greta Mäxchen auf dem Schoß und verdonnerte mich zu Tee und Zwieback.
    »Erst saufen und dann schlappmachen«, schimpfte sie.
    »Wieso geht es dir eigentlich so blendend?«
    »Ich kann mir solche Ausrutscher nicht leisten.« Sie zeigte auf das krakeelende Teufelsding auf ihrem Schoß. »Hab schließlich eine Aufgabe.«
    »Danke für den Hinweis. Dann gehe ich mal an meine Nichtaufgabe.«
    Die Zwiebacktüte unter die Achsel geklemmt, verzog ich mich in mein Zimmer und warf den Computer an. Es war hart, sich unter diesen Umständen noch einmal an die Mami-Wittgenstein-wirft-ein-Auge-auf-Papi-Berghusen -Szene zu setzen, aber ich biß die Zähne kräftig zusammen. Gerade als ich mich an die Goethe-Sproß-Moritz-verliebt-sich-in-Schwiegermami-Hildegard -Szene wagen wollte, klingelte das Telefon, das noch in meinem Zimmer stand.
    »Hallo?« sagte ich in die Muschel.
    Erst war gar nichts zu hören, dann eine flüsternde Stimme, die offensichtlich zu Jan gehörte. »Ich vermisse dich so schrecklich. Warum meldest du dich nicht?« fragte sie.
    »Und du?« fragte ich laut zurück. »Bei mir im Wohnzimmer sitzt keine Katharina.«
    Jan überging meine Bemerkung, schwelgte statt dessen in Italien-Erinnerungen.
    »Vergiß es«, unterbrach ich ihn nach einer Weile.
    »Was soll ich vergessen?«
    »Hast du mit Katharina geredet?«
    »Nein, ich …«
    »Also, vergiß es.«
    »Wie kann ich etwas vergessen, das mein Leben so durcheinanderbringt, daß ich nicht mehr atmen kann?«
    »Daily Soap«, stellte ich verächtlich fest. »Laß dir was Besseres einfallen.«
    »Okay, wie wär’s damit?« Und mit theatralischer Stimme fuhr er fort: »Ich möchte dich sehen!«
    »Wann?« fragte ich. Kleine Abwechslungen zwischendurch sollten ja wohl noch erlaubt sein.
    »Am besten sofort.«
    »Was? Jetzt gleich? Ich bin erst seit einer halbe Stunde am Arbeiten.«
    »Zeit für eine Pause. Kommst du zu mir?«
    »Das finde ich geschmacklos.«
    »Willst du nicht wissen, wie ich lebe?«
    Ich sagte nichts. Natürlich interessierte mich seine Wohnung, brennend sogar, aber was, wenn ich plötzlich vorm Ehebett stehen und einen Heulkrampf kriegen würde?
    »Johnsallee 5. Du weißt ja, wie du hinkommst. Schon gefrühstückt?«
    »Ja, aber alles ausgekotzt.«
    Jan lachte, er nahm mich wohl nicht ernst. »Na gut, dann kriegst du gleich ein neues Frühstück.«
    Als ich mich zehn Minuten später etwas herausgeputzt aus der Wohnung stehlen wollte, fing Greta mich ab.
    »Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte sie grinsend.
    »Du weißt doch gar nicht, was ich vorhabe.« Ich fuhr mir noch einmal mit unserer Flur-Bürste durch die Haare.
    »Der korallenrote Lippenstift heißt bei dir immer …«
    »Ja?«
    »Na ja, das ist sozusagen dein Fick-mich-Lippenstift. Sonst trägst du immer den bräunlichen.«
    »Du spinnst.«
    Aber Greta lachte nur.
    In der U-Bahn dachte ich eine Weile über Gretas Lippenstifttheorie nach und kam zu dem Schluß, daß sie vielleicht recht hatte.
    Nein, den Triumph wollte ich Jan nicht gönnen. Mit einer schnellen Handbewegung wischte ich den Lippenstift ab.
    »Verschminkt?« fragte ein junger Typ mit blondem Zopf, der mir unverschämt breitbeinig gegenübersaß.
    »Umgeschminkt«, antwortete ich und trug mit sicherer Hand den bräunlichen Lippenstift auf.
    »Ich habe mich schon immer gefragt, wie Frauen das hinkriegen. So ganz ohne Spiegel.«
    »Das liegt am zweiten X-Chromosom«, sagte ich leichthin. »Da sitzen ein paar fette Brocken mehr an Intelligenz drauf, außerdem noch motorische Fähigkeiten der besonderen Art.«
    »Hört sich gut an.«
    »Kannst du wohl laut sagen. Was meinst du, wie froh ich bin – Gott sei’s getrommelt und gepfiffen –, daß die Natur mir ein zweites X-Chromosom geschenkt hat! XY fände ich entsetzlich mager.«
    Mit einem zufriedenen Gefühl verließ ich die U-Bahn, aber der Typ, dessen Mutter ich beinahe hätte sein können, heftete sich an meine Fersen.
    »Können wir uns nicht mal treffen?« fragte er. »Ich will nach dem Abi Bio studieren.«
    »Dann tu das man schön«, sagte ich wie zu einem Fünfjährigen.
    »Haben Sie auch was mit Biologie zu tun?« nervte er weiter.
    »Im weitesten Sinne ja.« Ich untersuche gerade das Sexualverhalten verheirateter Männer, dachte ich und stiefelte entschlossen weiter.
    »Was machen Sie denn genau?«
    »Hör mal zu, ich hab’s eilig. Ich will mich gleich mit einem Mann fortpflanzen.«
    Das wirkte. »Ach so«, stotterte der Junge und verlangsamte gleichzeitig

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