Lipstick
wurde nun doch rot.
»Vielleicht machen wir mal was aus«, schlug Katharina vor. »Jan kann hervorragend Muscheln zubereiten.«
»Ja, gern. Nur im Moment … Ich habe ziemlich viel zu tun.« Katharina beugte sich jetzt runter und nahm Timmi auf den Arm.
»Wir wär’s? Wollen wir vielleicht einen Kaffee trinken gehen?«
»Tut mir schrecklich leid«, stammelte ich. »Aber ich bin gleich verabredet.«
»Schade. Dann besuch mich doch mal, wenn du magst. Jan arbeitet ja auch so viel, ist nur selten zu Hause.«
»Ja. Prima Idee.«
Katharina sah hinreißend aus. »Wir stehen im Telefonbuch. Ruf einfach an!«
»Ja, danke.«
Wir gaben uns die Hände, ich kniff Timmi leicht in den Oberarm, dann taumelte ich in die Kaufhaustoilette, wo ich erst mal mein Gesicht mit kaltem Wasser bearbeiten mußte.
Am liebsten hätte ich geheult, getobt oder geschrien. Besuch mich doch mal. Wir stehen im Telefonbuch! Noch vor ein paar Tagen hatte ich es mit ihrem Mann auf ihrem Dachboden getrieben. Okay, es war nicht ihr Dachboden, Jans Sachen standen schließlich drauf, aber es war mit Sicherheit ein Dachboden, den sie schon des öfteren betreten hatte.
Gäbe es nur eine Möglichkeit, das Hans-Date zu verschieben! Ihm in dieser Stimmung gegenüberzutreten, um mich beziehungstechnisch mit ihm auseinanderzusetzen – das wünschte ich nicht mal meiner ärgsten Feindin! Aber ich konnte ihm nicht absagen. Es wäre einfach fies gewesen, ihn wieder nach Hause zu schicken, wo ich ihn gerade unter Einsatz all meiner Überredungskünste herbestellt hatte.
Obwohl ich mich normalerweise über zu spät kommende Menschen zu Tode ärgerte, war ich jetzt beinahe froh, noch ein paar Sekunden für mich allein zu haben – auch wenn ich nur im »Mövenpick« saß. Ich bestellte einen Pfefferminztee – irgendwie war mir die Begegnung mit Katharina auf den Magen geschlagen – und betrachtete das geschmacklose pink-lila-graue Mustermix-Mobiliar. Vielleicht war es aber auch genau das richtige Ambiente, um den wirklich letzten Schlußstrich unter eine Affäre zu ziehen. Überhaupt hatte ich den Eindruck, als sei mein Triebleben gerade eben schlagartig abgestorben. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, jemals wieder so etwas wie Lust zu empfinden. Hans war sowieso Hans und Jan seit ein paar Minuten Timmis Vater.
Als meine Verabredung mit zwanzigminütiger Verspätung auftauchte, wurde mir so schlecht, daß ich nur kurz lächeln konnte und dann aufs Klo rasen mußte. Noch nie zuvor war mir beim Anblick eines Mannes schlecht geworden.
Hans saß leichenblaß vor einem unerotischen deutschen Kaffee und schaute mich mit großen Kinderaugen an.
»Sorry«, sagte ich. »Nur eine kleine Magenverstimmung.«
»Ansteckend?«
»Nein!« Bestimmt klang es zickig, aber ich ärgerte mich darüber, daß Hans nur an sein eigenes Wohl dachte.
»Was möchtest du trinken?«
»Nichts mehr. Danke.«
Ich schwieg.
»Willst du lieber woanders hingehen?«
»Nein.«
»Du siehst so angewidert aus.«
»Wir wissen doch beide, daß dieses Etablissement nicht nach unserem Geschmack ist.«
»Wir könnten auch ins ›Rialto‹ wechseln. Fünfzehn Minuten zu Fuß.«
»Nein!« rief ich geradezu entsetzt aus. Das »Rialto« war nun wirklich das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte. »Um Tacheles zu reden«, nutzte ich schnell die Gunst der Stunde. »Wir sollten gute Freunde bleiben.«
»Das hast du schon mal gesagt.« Hans brachte es so gelassen hervor, als gehe es um einen neuen Telefonanschluß. »Du liebst ihn also.«
»Ich weiß es nicht.«
»Doch, das ist Liebe, wenn man so verrückte Dinge tut.« Er trank einen Schluck deutschen Kaffee. »Verrückte Dinge hätte ich nur für dich getan.«
»Es tut mir so leid.«
»Gefühle kann man eben nicht planen. Oder vorausberechnen.« Hans lächelte unvermittelt. »Das ist genauso wie mit guten Weinen! Da macht dir plötzlich das Wetter einen Strich durch die Rechnung, oder du erntest zum falschen Zeitpunkt …« Seine Stimme versagte.
»Ja.« Mehr wußte ich jetzt auch nicht zu sagen. So hatte ich es mir jedenfalls nicht vorgestellt, daß ich jetzt, als ich reinen Tisch machte, fast zu weinen anfing.
Wir schwiegen wieder eine Weile, ich schluckte den Tränenkloß runter, und dann fragte Hans mich nach Jan aus. Sollte ich ihm die ganze Geschichte erzählen? Von Katharina und den Kindern? Ja, entschied ich. Immerhin war Hans seit gut einer Minute mein Freund.
»Das ist tragisch«, sagte Hans, als ich ihm
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