Lipstick
nur, daß es mir unangenehm gewesen wäre, Jan und Katharina gemeinsam in meiner Nähe zu haben.
Also keine Party. Greta schlug vor, wir beide sollten irgendwo hinjetten, Mäxchen würde sie für so kurze Zeit bestimmt bei ihrer Schwester unterbringen können. Für zwei Tage nach Rom. Oder nach Paris. Ich fand den Vorschlag schlichtweg genial. Jetzt galt es nur, sich auf eine Stadt zu einigen.
»Du wirst dreißig. Also entscheidest du«, meinte Greta.
»London?«
»Zu neblig.«
»Jede Stadt ist im November neblig.«
»Ich hab’s!« sagte Greta. »Venedig! Venedig ist die einzige Stadt, zu der Nebel gehört wie Maggi in die Suppe!«
Auch wenn meine letzte Italienreise noch nicht lange her war, hatte ich natürlich nichts gegen Venedig einzuwenden, und die Aussicht, mich ausnahmsweise mal nicht mit ein oder gar zwei Kerlen abgeben zu müssen, brachte mich geradezu in Hochform. Ich war so begeistert von der Idee, daß ich mich von Stund an auf die Reisevorbereitungen stürzte und meine Arbeit wieder mal brachliegen ließ. Ich buchte zwei Flüge, pickte aus einem Hotelführer ein kleines, aber feines (und fein teures) Hotel heraus, rief sofort an und reservierte ein Zimmer. Niemanden würde ich vorher informieren, weder Jan noch Hans – ich wäre dann an meinem Geburtstag einfach nicht zu erreichen. Statt dessen würde ich im »Florian« sitzen, Prosecco trinken und auf den Markusplatz schauen. Mein Gott, wie großartig es doch sein konnte, dreißig zu werden!
Greta geriet ebenfalls völlig aus dem Häuschen. Insgeheim, so glaubte ich, hing sie doch sehr an Micha, und die Aussicht, aus dem Dunstkreis der Stadt zu kommen, die sie an allen Ecken und Enden an ihn erinnerte, gefiel ihr. Außerdem würden ihr ein paar Tage ohne Mäxchen sowieso guttun.
Nachdem die Reise organisiert war, setzte ich dann noch alles daran, meine Arbeit zu erledigen. Ungern wollte ich mit Seifenopernballastund schlechtem Gewissen ins neue Lebensjahrzehnt starten. Die Goethes und Liebknechts bekamen neue Sätze in den Mund gelegt, nett bis dramatisch, die Berghusens und Wittgensteins wurden mit Schnaps und Flirtereien versorgt, und auch meine Ami-Serienhelden kriegten eine Politur ersten Grades.
Drei Tage vor meinem Geburtstag tütete ich den ganzen Kram ein, legte jeweils ein nettes Kärtchen dazu, immer mit demselben Text, ich sei erst am 24. November wieder zu erreichen – nicht daß einer der Kerle auf die Idee kam, mich noch vor meinem Venedig-Trip zu behelligen.
Am Vortag der Abreise passierte das Unglück: Jan rief an und erkundigte sich, was ich denn an meinem Ehrentage zu tun gedächte.
»Ich fahre weg.«
»Wann?«
»Heute. Das heißt gleich. In einer Stunde muß ich los.«
Eine kurze Pause trat ein. Dann: »Mit wem fährst du?«
»Mit Greta, falls es erlaubt ist.«
»Ist es.« Ich hörte förmlich den Seufzer der Erleichterung. »Und wohin?«
»Venedig.«
»Venedig???« Er klang echt erschüttert. »Mein Gott, warum denn ausgerechnet Venedig?«
»Weil Venedig die schönste Stadt der Welt ist.«
Wieder eine Pause. Jan atmete heftig.
»Ich wäre so gern mit dir nach Venedig gefahren.« Er hörte sich so traurig an, daß ich beinahe Mitleid mit ihm bekam. Der arme Jan! Wie sollte er nur jemals in diese wunderbare Stadt kommen, wenn sich seine Geliebte so querstellte? »Na, da läßt sich wohl nichts mehr machen. Ich kann froh sein, daß ich ein paar Stunden mit dir in Siena verleben durfte, stimmt’s?«
Langsam ging mir Jans Selbstmitleidstour auf die Nerven. Als er auch noch wissen wollte, warum ich denn unbedingt an meinem Geburtstag verreisen müßte, knallte ich ihm an den Kopf, daß ich eben keine Lust hätte, gerade an meinem dreißigsten einen sex-besessenen Lover samt liebreizender Ehefrau einzuladen.
»Meldest du dich, wenn du zurück bist?«
»Bin Donnerstag wieder hier.« Die Antwort durfte ja wohl genügen.
»Ich liebe dich«, sagte Jan, was mir durch und durch ging.
»Tschüs«, sagte ich und legte auf.
Ran ans Kofferpacken. Greta hatte ihre Reisetasche schon fix und fertig und proppenvoll auf den Flur gestellt und war noch zwecks Mäxchenablieferung zu ihrer Schwester gefahren.
Mir bereitete das Packen einige Probleme. Ich wollte es mir nämlich gönnen, einfach großartig auszusehen, ohne daß ein gewisser männlicher Teil der Bevölkerung überhaupt etwas davon mitbekam. Die meisten schönen Kleider, die ich aus dem Schrank zog, hatten leider in der einen oder auch anderen Weise mit Jan, Hans
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