Lisa Kleypas
betrat sie als Erstes die
Küche, wo ihre Mutter sowie ein paar ihrer Geschwister samt Anhang dabei waren,
das Essen vorzubereiten.
Maggie
begrüßte ihre Mutter, eine Frau mit sehr weib licher und doch schlanker Figur,
silbergrauer Kurzhaarfrisur und einer wunderbaren Haut, die ganz ohne Makeup
auskam, mit einem Kuss. Auf ihrer Schürze stand: »Ich habe alles gesehen, alles
gehört, alles getan. Ich kann mich nur nicht mehr an alles erinnern.«
»Die sind
aber nicht für deinen Vater, oder?«, fragte Maggies Mutter und runzelte
angesichts der Schachtel mit den Donuts missbilligend die Stirn.
»Da sind
Selleriestangen und Möhrenschnitze drin«, erwiderte Maggie. »Die
Schachtel dient nur als Verpackung. Ich hatte gerade nichts anderes zur
Hand.«
»Dein Vater
sitzt im Wohnzimmer«, erklärte ihre Mutter. »Wir haben endlich Dolby
Surround Sound, und seitdem kommt er nicht mehr vom Fernseher los. Er behauptet,
die Schüsse klingen jetzt richtig echt.«
»Wenn es ihm
darum ging, hättest du ihn einfach zum Army-Stützpunkt nach Tacoma fahren
können«, warf einer von Maggies Brüdern ein. Sie musste grinsen und ging
zum Wohnzimmer hinüber. Dort, in einer Ecke des riesigen Sofas, saß ihr Vater
mit einem schlafenden Kleinkind im Arm. Als Maggie eintrat, fiel sein Blick
sofort auf die Schachtel mit den Donuts. »Meine Lieblingstochter«, seufzte
er zufrieden.
»Hi,
Dad.« Maggie beugte sich über ihn, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn
und legte ihm die Schachtel auf den Schoß.
Ihr Vater
öffnete sie, kramte darin herum, fand einen Donut mit Ahornsirup und Speck und
machte sich sofort voller Verzückung daran, ihn zu verspeisen.
»Komm, setz
dich zu mir. Und nimm mir das Baby ab. Ich brauche jetzt beide Hände.«
Vorsichtig
nahm Maggie ihm das schlafende Kind aus dem Arm und legte sich das warme,
weiche Bündel an die
Schulter. »Wessen Kind ist das?«, fragte sie. »Ich erkenne es
nicht.«
»Keine
Ahnung. Irgendwer hat es mir in die Arme gedrückt.«
»Eins
deiner Enkelkinder?«
»Kann schon
sein.«
Maggie
wurde mit Fragen bombardiert: Was macht der Laden? Was gibt es Neues in Friday
Harbor? Hast du in letzter Zeit interessante Männer kennengelernt? Sie beantwortete
alles, zögerte bei der letzten Frage aber gerade lange genug, um seine Augen
vor Neugier aufleuchten zu lassen.
»Aha. Wer
ist es, und was macht er beruflich?«
»Oh,
eigentlich niemand. Er ist ... Da läuft nichts. Er ist bereits vergeben. Ich
habe mich auf der Fähre nach Anacortes mit ihm unterhalten.« Das Baby
zuckte im Schlaf, sie legte ihm eine Hand auf den Rücken und begann es beruhigend
zu streicheln. »Ich glaube, ich habe mit ihm geflirtet, ohne es eigentlich zu
wollen.«
»Ist das
schlimm?«
»Möglicherweise
nicht, aber ich frage mich ... Woran soll ich erkennen, wann ich bereit bin,
wieder mit jemandem auszugehen?«
»Wenn du
mich fragst: Flirten, ohne es eigentlich zu wollen, ist ein sicheres
Zeichen.«
»Ich komme
mir seltsam dabei vor. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, obwohl er ganz und gar
nicht so wie Eddie ist.«
Bevor er so
krank wurde, war Eddie ein heiterer, fröhlicher Mensch gewesen, ein richtiger
Scherzkeks. Der Mann, mit dem sie an diesem Morgen Zeit verbracht hatte, war
düsterer, ruhiger und so zurückhaltend, dass sie eine tiefe innere Anspannung
zu spüren glaubte. Sie hatte sich nicht dagegen wehren können, sich in Gedanken
auszumalen, wie es wohl sein würde, ihm körperlich näher zu kommen. Die
Fantasien, die sich daraus entwickelten, hatten solche Sprengkraft, dass es
sie erschreckte ... und faszinierte. Sie erinnerte sich daran, Eddie begehrt
zu haben, weil er ihr Sicherheit bot. Und jetzt ertappte sie sich dabei, dass
sie Mark Nolan aus ganz und gar gegensätzlichen Gründen begehrte.
Maggie
senkte den Kopf und küsste das schlafende Baby in ihren Armen. Der Kleine
wirkte verletzlich und stark zugleich, er hatte eine unglaublich zarte Haut und
strahlte angenehme Wärme aus. Nur kurz überfiel sie die Erinnerung an einen
Augenblick in jenen so flüchtigen letzten Tagen von Eddies Leben. In ihrer
stillen Verzweiflung hatte sie sich so sehr ein Kind von ihm gewünscht, nur um
einen winzigen Teil von ihm bei sich zu behalten.
»Liebes«,
sagte ihr Vater, »ich kann nur erahnen, was du mit Eddie erleben musstest. Ich
weiß nicht, wann der Trauerprozess vorbei ist oder wie du schließlich erkennen
kannst, wann du so weit bist, deinen Weg weiterzugehen. Aber in einem Punkt bin
ich mir ganz
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