Lisa Kleypas
besser geht: Der Kinderarzt hat am Samstagvormittag Sprechstunde
...«
»Ja doch!
Ich weiß das alles genauso gut wie du. Wenn du jetzt nicht endlich Leine
ziehst, verpasst du deinen Flieger.«
Mark gab
Holly noch eine Ibuprofen-Tablette gegen das Fieber, bevor er sich
widerstrebend auf den Weg machte. Als er ging, lag sie auf dem Sofa und schaute
sich einen Film an. Sie wirkte klein und zerbrechlich, ihre Wangen waren blass.
Er ließ sie nur sehr ungern allein, obwohl Sam ihm wiederholt versichert hatte,
dass er sich bestens um sie kümmern würde.
»Ich habe
mein Handy dabei«, sagte Mark ihr zum Abschied. »Wenn du mit mir sprechen
möchtest, wenn du mich brauchst, dann ruf mich einfach an. Wann immer du
möchtest. In Ordnung, Schätzchen?«
»In
Ordnung.« Sie schenkte ihm ihr süßes Zahnlücken-Lächeln, das wie immer
sein Herz zum Schmelzen brachte. Er beugte sich über sie, küsste sie auf die
Stirn und rieb seine Nase an ihrer.
Ihm war,
als ob er einen Fehler mache, als er das Haus verließ und zum Flughafen fuhr.
Sein Instinkt befahl ihm, bei Holly zu bleiben. Aber Mark wusste, wie viel
dieses Wochenende für Shelby bedeutete, und er wollte ihr weder wehtun noch
sie blamieren, indem er nicht zu der Familienfeier aufkreuzte.
Shelby
holte ihn mit ihrem schicken BMW Z4 vom Flughafen ab. Sie trug ein aufregendes
schwarzes Kleid und High Heels, die aschblonden Haare hingen ihr glatt und lang
über die Schultern. Eine schöne, elegante Frau. Jeder Mann würde sich glücklich
schätzen, sie zur Freundin zu haben, dachte Mark. Er mochte Shelby. Er bewunderte
sie. Er genoss ihre Gesellschaft. Aber der Mangel an aufregenden Gefühlen und
Intensität in ihrer Beziehung, der ihn bisher nie gestört hatte, begann ihn
mehr und mehr zu beunruhigen.
»Wir
treffen uns vor der Feier mit Bill und Allison zum Essen«, sagte Shelby.
Allison war seit Collegezeiten ihre beste Freundin. Sie hatte inzwischen drei
Kinder.
»Großartig.«
Mark hoffte, die Sorge um Holly lange genug beiseiteschieben zu können, um das
Essen zu genießen. Er zog sein Handy aus der Tasche und schaute nach, ob
Nachrichten von Sam eingegangen waren.
Nichts.
Shelby
bemerkte, dass er die Stirn runzelte, und fragte: »Wie geht es Holly? Noch
nicht besser?«
Mark
schüttelte den Kopf. »Sie war noch nie krank. Jedenfalls noch nie, seit sie bei
mir lebt. Als ich wegfuhr, hatte sie Fieber.«
»Sie wird
sich schnell erholen«, tröstete Shelby. Ein Lächeln huschte über ihre
glänzenden Lippen. »Ich finde es sehr süß
von dir, dass du dir solche Sorgen um sie machst.«
Sie fuhren
zu einem eleganten Restaurant in Seattle, dessen Gastraum von einer sechs Meter
hohen Säule aus Weinflaschen beherrscht wurde, und orderten einen erstklassigen
Pinot Noir. Mark leerte sein Glas schnell – in der Hoffnung, der Wein würde ihm
helfen, sich zu entspannen.
Inzwischen
hatte es aus tief hängenden Wolken begonnen zu regnen, sanft, aber beständig.
Glitzernde Wassertropfen rannen an den Fensterscheiben hinab. Die flachen
Gebäude sahen aus, als duckten sie sich ergeben unter dem Schauer. Das Wasser
lief über Pflasterstufen, Rinnsteine und Straßengräben ab. Seattle war eine
Stadt, die sich mit Regen auskannte und damit umgehen konnte.
Während
Mark beobachtete, wie sich die Rinnsale einen Weg über Stein- und Glasfassaden
suchten, fiel ihm unwillkürlich jener regnerische Abend vor nicht ganz einem
Jahr ein, der alles verändert hatte. Ihm wurde klar, dass er damals Holly
gegenüber sehr sparsam mit seinen Gefühlen umgegangen war, so als hätte er nur
einen begrenzten Vorrat davon und müsse damit haushalten. Heute konnte er sie
weder zurückhalten noch bändigen. Würde ihm seine Vaterrolle jemals leichter
fallen? Würde er irgendwann einen Punkt erreichen, an dem er sich keine Sorgen
mehr machte?
»Das ist
eine ganz neue Seite an dir.« Shelby grinste Mark verschmitzt an, als sie
sah, dass er zum wohl zwanzigsten Mal während des Essens sein Handy checkte.
»Schatz, wenn Sam nicht angerufen hat, bedeutet das: Es ist alles in
Ordnung.«
»Es könnte
auch bedeuten, dass etwas gar nicht in Ordnung ist und er keine Gelegenheit
hat, anzurufen«, widersprach Mark.
Allison und
Bill warfen einander vielsagende Blicke zu, das leicht überlegene Lächeln
erfahrener Eltern auf den Lippen. »Beim ersten Kind ist es am schwersten«,
sagte Allison. »Man kriegt jedes Mal Angst, wenn es Fieber bekommt ... Beim
zweiten oder dritten macht man sich längst nicht mehr
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