Lisa und das magische Schwert: Malum Saga non habet misericordiam (German Edition)
schonungslos auf die Knie fallen, sodass er wie ein gefällter Baum nach vorn umkippte.
„Brokk!“, flüsterte er noch schlaff und ermüdet, bevor ihn tiefes Schwarz umgab …
Hab einen süßen Traum, gib anderem keinen Raum.
Sieh mir ins Gesicht, gib anderem kein Gewicht.
Wie sooft, bat ich dich um meinen Namen,
doch du willst ihn mir nicht sagen.
Nun löse ich deine Zunge, ganz langsam in deinem Munde.
Nicht hier und nicht jetzt, ich lache zuletzt.
Du bist ein böser Zwerg, ich warte auf dich,
am Fuße vom Hexenberg.
Nimm weiter den Stieg,
auf mich wartet dann ein großer Sieg.
Denn dort wirst du ihn mir sagen,
meinen glorreichen Namen!
Sinith sah sich im Traum hin und her winden. Seine Augen kniff er fest zusammen, damit er der bösen Hexe nicht in die Augen schauen musste. Er wollte nicht das Feuer in ihren Pupillen ansehen, das ihm jede Nacht vormachte, warm und erquickend zu sein. Wie jede Nacht schwebte sie über dem Zwerg und sang mit betörenden Lauten aus ihrer uralten Kehle. Sie war immer schön anzusehen. Anmutig erschien sie in seinen Träumen, sobald es dunkel wurde, und machte mit ihrem zauberhaften Gesang dem naiven Zwerg den Hof. Er versuchte sich äußerlich zu wehren, denner fühlte sich stark und nicht wankelmütig. Seine Augen verfielen ihrem Liebreiz nicht. Egal, wie sie auftrat, er öffnete nicht einen seiner äußerlichen Sinne, um für sie anfällig zu werden. Das zeigte er mit uneingeschränktem Kampfgeist, wenn sie in seinen Träumen erschien. Doch Sinith befürchtete besitzergreifenden Verrat an einer ganz anderen Stelle in ihm. Er ahnte, seitdem die Hexe bei der ersten Begegnung ihren Schatten in ihn schickte, dass in seinem kleinen Körper irgendetwas nicht mehr zusammengehörte. Seine Seele teilte sich langsam, aber sicher in zwei Hälften. Sein Unterbewusstsein, was ihm jede Nacht in einem versteckten Winkel in seinem Körper leidenschaftlich zusah, war dabei, sich in die gewissenlose Hexe zu verlieben.«
M axima fragte ihre Mama: „Seit Tagen stehst du am Fenster und beobachtest die alte Eiche. Was ist mit dem Baum?“ Maxima lugte hinter ihrer Mutter vor, die wie fanatisch auf die alte Bluteiche stierte und sich nicht abwenden konnte.
„Dahinter verstecken sich bestimmt wieder irgendwelche Harzwesen, die Unheil verkünden!“ Lisas Ehemann Lorenz verbarg sein grinsendes Gesicht schnell hinter seiner Tageszeitung.
„Du meinst, da könnten sich Geister drin versteckt haben?“ Maxima stimmte in die Verschwörungstheorie ihres Vaters sofort mit ein. „Welche denn diesmal …? Elfen hatten wir noch nicht!“, stellte sie naserümpfend fest.
„Stimmt. Riesen auch noch nicht.“
Lisa hörte auf das Gerede hinter ihr schon gar nicht mehr. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf den Baum. Und somit wurde die Flachserei der beiden hinter ihrem Rücken vollständig ausgeblendet. Lisas Augen suchten forschend und sorgfältig die Baumkrone ab. „Da sind doch Augenpaare drin!“, bemerkte sie entsetzt. „Sechs. Ich sehe sechs grässlich gelbe Augenpaare.“ Den zweiten Satz murmelte Lisa leider zu laut für gewisse Ohren.
Sofort stürmte Maxima wieder hinter ihre Mutter und wollte auch die Augenpaare in der alten Eiche zählen. „Ich sehe gar nichts.“ Enttäuscht plättete und verbog sie ihre Nase an der Glasscheibe der Hintertür. Lisa nahm den Blick nicht eine Sekunde vom Baum weg. Sie war von einem Augenpaar förmlich gefesselt: Gelblich funkelnde Augen, die unfreundlich und herzlos auf Lisa wirkten, lösten einen eisigen Kälteschauer über ihrem ganzen Körper aus und ließen ihr die feinen Härchen im Nacken hoch stehen.
„a ls Sinith erwachte, war es schon dunkle, tiefe Nacht. Die Hexe gab ihm klar und deutlich zu verstehen, dass sie am Fuße vom Hexenberg ihren Namen hören will. Das bedeutete, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb, bis sie ihn wieder angreifen würde. Doch reichte die Zeit, um ihnen etwas Ruhe zu verschaffen, solange sie sich auf dem Hexenstieg befanden?
Er setzte sich erleichtert auf, als ihm bewusst wurde, dass er von ganz allein und ungeschoren wieder aus seinemTraum zurückfand. Vielleicht hatte sie aber auch nur ihren Plan und ihre Taktik geändert.
Allein? Stimmt, Brokk verschwand ja in der Bode.
Bis eben. Denn als er sich auf seinem Lager umdrehte, fiel ihm auf, dass er an einer ganz anderen Stelle am Ufer der Bode von der Dunkelheit übermannt wurde. Jetzt kam er aber an einer ganz anderen zu sich. Er war gar nicht mehr
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