Lisa und das magische Schwert: Malum Saga non habet misericordiam (German Edition)
allein. Sein Herz stolperte, weil er seinen liebsten Freund im warmen Feuerschein erblickte, der in sich gekehrt nah am Feuer hockte, um seine triefend nasse Kleidung zu trocknen. Auch Siniths nasse Kleider hingen zum Trocknen überall verteilt. Sein bester Freund hatte ihn mal wieder gerettet, ihn in eine dicke Decke eingehüllt, und alles gut geschützt unter dem Netz der Unsichtbarkeit. Sinith konnte sich auf seinen Freund blind verlassen. Nie würde er ihn im Stich lassen, obwohl er sich dieses Mal selbst in großer Gefahr befand. Stumm hafteten seine müden Augen auf seinem Freund, der in einer unglücklichen Haltung am Feuer kauerte und ihm das Gefühl gab, dass das Abenteuer, die Herrscherin vom Klobenberg zu finden, zu Ende geht! Siniths kraftlose Augen ruhten von Weitem auf dem geknickten Zwerg am Feuer. Brokk hatte sich irgendwie aus den Fluten gerettet. Aber wie konnte er sich überhaupt aus dieser Misere befreien? Ganz egal, er war da …! Und welchen Ängsten sich Brokk stellen musste, das wusste er auch nicht. Das sollte jedoch erst einmal alles nebensächlich sein. Wenn Brokk es für wichtig erachtet, dann würde er es Sinith schon erzählen. Jetzt fühlte sich der kleine Zwerg total glücklich, seinen besten Freund wieder bei sich zu haben und ihn am Feuer zu sehen, an dem er sich wärmte.
Eine ganze Weile machte er sich nicht bemerkbar, um die gebrochene Haltung seines Freundes an der Feuerstelle einordnen zu können. Er hatte ihn noch niemals mit hängenden Schultern gesehen. Dafür war er ein zu stolzer Zwerg. Immer die Brust raus und den Rücken gerade. Immer mit der Weisheit behaftet: Alles muss und alles geht!
„Brokk!“, rief er ganz leise. „Ich habe gedacht, dass ich dich nie wieder sehe. Ich bekam solche Angst. Und dann kroch auch wieder die Hexe in meinen Kopf! Ich werde langsam wahnsinnig.“ Mit Absicht verschwieg der kleine Zwerg seinen schweren Verdacht, dass sein Unterbewusstsein anders auf die Hexe reagiert wie er, weil sein Inneres sich teilt. So wie Brokk am Lager kauerte und traurig in die gefräßigen Feuerzungen blickte, war es wohl auch angebracht, etwas länger die Ahnung oder in der Zwischenzeit wirkliche Tatsache für sich zu behalten und darüber zu schweigen.
„Was ist passiert, Brokk?“ Mit dieser Frage riss Sinith seine Augen weit auf. Er war doch zu neugierig, um darauf zu warten, dass sein Freund ihm alles von allein erzählte. „Sag schon. Müssen wir umkehren?“
Brokk starrte weiter in die Flammen und suchte nach den passenden Worten, um Sinith nicht noch mehr zu belasten. Er hatte schon jede Nacht mit der Hexe zu kämpfen, graue Schatten im Gesicht zeugten von seinem Elend. Die rosigen Wangen, die einen Zwerg zierten, wichen einem farblosen krank aussehenden Grau. Und die dunklen, fast schon schwarzen Ringe unter den Augen gaben ihm das Aussehen einer Maske, wie bei einem Sterbenden.
Brokk holte Luft und atmete diese wieder schwer aus. „Ich habe den Zahn der Treue verloren. Der riesige Fisch hat ihn mir am Grund der Bode zwischen festsitzenden Algen vom Hals gerissen und ist davon geschwommen.“ Mit diesen Worten sackte der kleine tapfere Lichtritter aus Lähis noch weiter in sich zusammen. Sekunden herrschte mehr als Schweigen unter den Freunden. Das Knistern des Feuers, das am trockenen Holz seinen Hunger stillte, hallte wie laute Trommelschläge in den Ohren der Zwerge. Nah am Waldrand schrie ein Kauz in die umfassende Stille, um ihr ein Ende zu setzen. „Ich bin dauernd wieder aufgetaucht, um dann erneut ganz schnell dem Fisch hinterherzuschwimmen. Das habe ich vor lauter Verzweiflung immer und immer wiederholt. Ich kenne in der Bode nun jeden Stein und jede Pflanze. Aber den Fisch habe ich nicht mehr gesehen.“
„Meinst du …?“ Sinith wollte die Frage nicht aussprechen. „Könnte es sein, dass die Hexe den Zahn hat?“
„Nein, ich glaube nicht. Der Fisch war auf Beute aus. Er wurde vom Glitzern und Wedeln angelockt und biss einfach zu.“ Er schwieg kurz und erzählte weiter: „Außerdem hätte es sich die Hexe nicht nehmen lassen, mir den Zahn höchstpersönlich vom Hals zu reißen. Und nicht einen dummen Fisch vorgeschickt.“
Sinith schluckte schwer und wusste nun nicht genau, ob er erleichtert darüber sein sollte, dass ein verfressener Fisch den Zahn gestohlen hat und nicht die alte böse Hexe. Etwas ratlos sah er zu Brokk. „Und nun?“
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“ Brokk zuckte mit seinen hängenden Schultern und
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