Lisa
mulmig werden, aber ich gebe auf so etwas nichts, das sind Zufälle.
Die Leute machen sich geradezu verrückt wegen Zufällen. Was daran liegt, dass sie nicht das Geringste von Mathematik verstehen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch, der vor euch in eurem Hotelzimmer geschlafen hat, am selben Tag Geburtstag hat wie ihr? Die meisten würden aus allen Wolken fallen, wenn sie das erleben. Dabei ist das eben nicht so wahnsinnig unwahrscheinlich.
Heute war ich stolz. Er hat mir beim Fußballspielen das erste Mal den Ball durch die Beine geschoben. Ich strenge mich zugegebenermaßen nicht besonders an, wenn wir spielen, doch da hatte ich es übertrieben, und schwupps war der Ball unten durch und er an mir vorbei.
…
Mein Vater hat mit mir nie Fußball gespielt. Proletensport, dreckig, schlechte Gesellschaft, bla bla bla. Tennis sollte ich lernen. Na sicher. Mit dem Tennislehrer habe ich in der Kabine geraucht. Dann durfte der zu seiner Freundin fahren, und ich habe mir die Zeit vertrieben. Das Geld fürdie Stunde haben wir geteilt. War das ein Spaß, als mich mein Vater zu einem Geschäftsfreund mitgenommen hat, damit ich mit seinem triefäugigen Warzenpfotensohn Tennis spiele. Danach kam das Gespräch nie wieder auf Tennisunterricht.
Fußball interessiert mich allerdings auch nicht mehr. Da drehe ich den Fernseher höchstens auf, wenn entweder Rapid Wien oder die Sechziger Europapokal spielen, und jetzt lacht nicht blöd.
Stimmt nicht ganz, Champions League und WM und EM schaue ich mir an. Aber die Meisterschaft interessiert mich nicht mehr, und ich kann nicht sagen, warum. Weder die deutsche noch die von den Österreichern. Ich habe ja durch meine Mutter beide Seiten, was manchmal ein Vorteil ist, je nachdem, wo ich mich gerade befinde und was gerade los ist. Meistens ist es ein Nachteil.
Wobei die Deutschen mich milde einen Schluchtenscheißer nennen, wenn sie mich ärgern wollen, und die Schluchtenscheißer mir nie so ganz über den Weg trauen, weil für viele von ihnen jeder Deutsche ein Angeber mit dem größeren Schwubinello ist, und da muss es gar kein Preuße sein, selbst die Bayern sind ihnen verdächtig.
Die lästigeren Probleme habe ich zweifellos in Österreich. Der redet nicht wie wir, also kann er kein Guter sein. Eine seltsame Form des Ressentiments steckt in ihnen, ohne dass auch nur ein Einziger es zugeben würde. So steht es auch um jene, die ihr für intellektuell und progressiv halten könntet. Es hilft nichts, ihr könnt einen Bauern aus seinem Stall holen und ihm das Feuilleton zu lesen geben, aber er wird trotzdem ein Bauer bleiben.
Es gibt auch Menschen, die häufen Wissen an, können zuallen Gelegenheiten Plato und Kant zitieren, haben jedes bedeutende Gemälde im Original gesehen, kennen die Partituren zu jeder Oper, bewegen sich ausschließlich in akademischen Kreisen, und doch bleiben sie in alle Ewigkeit Esel. Auch zum Geistvollsein braucht es Talent.
Es gibt Menschen, die sind intelligent, aber sie sind nicht gescheit. Und es gibt Menschen, die wissen unendlich viel und sind nun mal leider nicht begabt, oder jedenfalls nicht begabt genug.
Lisa hat mal einen Fußballer gekocht. Ich drücke mich bereits eine Weile um dieses Thema herum, weil ich es so unsexy finde. Ein Mitglied der kasachischen Jugendnationalmannschaft ist irgendwo in Bulgarien in einem riesigen Kochtopf gefunden worden, wie ihn die Menschenfresser im Comic benutzen. Und ganz wie bei den Menschenfressern im Comic wurde der Mann in diesem Kessel gekocht. Sie haben festgestellt, dass er ein muskellähmendes Mittel gespritzt bekommen hat, und so dürfte er bei vollem Bewusstsein, aber eben unfähig, sich zu bewegen, in diesem Kochtopf gesessen sein. Ich möchte nicht für zimperlich gehalten werden, aber ich frage mich schon, wieso kocht man Kasachen?
…
Fußballer, ach du je. Einer meiner Bekannten hat ein wenig Einblick in diesen Betrieb. Durch ihn weiß ich, wie Trainer leben. Er kennt einige, und mit dem verhaltensauffälligen Schlacks, der bei Schalke war, ist er sogar befreundet.
Ich finde es faszinierend, welche Banalität dort herrscht, welche alltäglichen Probleme diese Menschen haben, wie sie in Wahrheit ihre Jobs keilen müssen. Wir lesen nur in derZeitung, der Verein XY hat sich vom Trainer A getrennt und den Trainer B eingestellt. Was so einer Meldung alles vorausgeht! Da haben zwei Dutzend Manager und freilich auch die Trainer selbst vorgearbeitet, an Türen geklingelt, Egos
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