Lisa
sind sowieso Fakes, aber ich habe ein echtes gesehen, und das vergisst man nicht.
Die Geschichte ging so: Auf einer griechischen Insel stoßen sie auf fünf Jungs, die zu einer katholischen Jungschargruppe aus Polen gehören, alle um die fünfzehn Jahre alt. Die Gruppe hatte da eine Art Pfadfinderlager, die allerletzten Details weiß ich wie üblich nicht, ich merke mir immer nur die wichtigen, sprich die dramatischen Einzelheiten.
Die fünf hatten sich abgesetzt und einige Tage mit Beten und Meditieren oder vielleicht auch ein paar Öfen verbracht.Nach zwei Tagen sollen sie vereinbarungsgemäß zur Hauptgruppe zurückstoßen, tun sie aber nicht. Nach drei Tagen ist alles unterwegs, was in der Gegend laufen kann, der Gouverneur sucht eigenhändig, und nicht für die Fernsehkameras, sondern weil einer der vermissten Jungen der Sohn eines alten Geschäftsfreundes ist. Möglicherweise heißt es in Griechenland nicht Gouverneur, von mir aus Landvogt, spielt für uns keine Rolle.
Nach vier Tagen finden sie sie. Sie sitzen um ein erloschenes Feuer im Kreis, die Augen offen, und aus dem Mund … na ja. Jeder, der an der Suche beteiligt war, hat sich gleich übergeben.
Kranke Bestie, hat Hilgert gesagt, kranke Sau. Er hat es sofort gewusst. Ich schwöre, so war es: Er rief mich an und wies mich auf den ersten kleinen Bericht im Internet hin. Er sagte sofort: Das war sie.
Richtig. Sie haben Spuren gesucht und unter einigen anderen auch ihre gefunden.
Woher hast du das gewusst, frage ich ihn, und er: Keine Ahnung. Aber ich weiß etwas anderes. Und was, frage ich. Er: Sie ist hier. Was heißt, sie ist hier, frage ich, und er: Sie ist in der Nähe. Sie hält sich in der Nähe auf. Das hier ist ihre Basis.
Wir stehen bei ihm zu Hause vor seiner Wandkarte, und er zeigt auf den Bereich Bayern, Salzburg, Oberösterreich. Na mir ist es kalt über den Rücken gelaufen. Wieso, frage ich, wieso glaubst du das? Und er: Ich weiß es. Sie ist da. Und ich habe das Gefühl, sie weiß, dass ich da bin. Ich will nicht mal ausschließen, dass sie weiß, dass du da bist.
Jetzt ist mir heiß geworden. Was meinst du denn damit?frage ich ihn, und er: Sie weiß, dass ich ihr auf der Spur bin. Sie weiß, dass ich der Einzige bin, der sie ernsthaft sucht. Und sie weiß, dass ich weiß, dass …
Und redet nicht weiter. Da hätte ich nachhaken sollen, aber ich bin natürlich fixiert auf das, was er davor gesagt hat. Ist wohl kein Wunder, wer reagiert nicht tendenziell beunruhigt, wenn er hört, dass eine wahnsinnige Serienmörderin ihr flackerndes Auge auf ihn geworfen hat. Also frage ich nach, und er: Kann ich dir nicht erklären. Du bist der, mit dem ich rede. All die anderen in der SOKO sind von der Wahrheit weit entfernt, ich bin der Einzige, der ganz nah dran ist. Und du bist der, mit dem ich rede.
Aber woher soll sie das denn wissen! rufe ich, wohl leicht hysterisch. Und er wieder: Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.
Kann sein, dass er verrückt war. Dass er zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr der Alte war. Ist ja unbestritten, dass eine Scheidung viele Leute aus der Bahn wirft. Seine zwei Töchter sah er noch seltener als zuvor, Probleme mit Alkohol hatte er seit langem, dann die ganzen Konflikte im Job. Vielleicht, dachte ich, steigert er sich in etwas hinein. Doch so seltsam es sich anhören mag, im Grunde habe ich ihm gleich geglaubt. Ich bin nahezu sicher, dass er recht hatte mit allem, was er sagte. Er fand mit traumwandlerischer Sicherheit, mit einem Spürsinn ohnegleichen den Weg zu Lisa. Leider.
Und deshalb sitze ich hier. Weil ich weiß, dass sie weiß, dass es mich gibt. Und weil sie weiß, dass, von den Laborleuten abgesehen, nur zwei Leute wissen, wer sie ist. Weil einer davon sich am Telefon nicht mehr meldet. Und bloß ich übrig bin.
Moment, ich muss einen Lappen holen, hier sieht es fürchterlich aus.
…
Es ist, als ob mir nichts passieren könnte, solange ich hier sitze und rede, rede, rede. Alles ist gut, solange ich durch dieses Gerät mit einem kleinen Ausschnitt der Welt kommuniziere. Zu dem du, mein Zuhörer, gehörst.
Ich rede also um mein Leben.
…
… funkt …
…
… verbissen, aber ich …
…
Hört ihr mich jetzt eigentlich? Ich kann nicht fassen, dass wir …
…
… gottverdammte Technik, das hat sein müssen. Scheißkabel. Wackelkontakte ziehen …
…
… ist mir absolut nicht verständlich. Dieser Schlankheitswahn hat keine berechtigten Grundlagen. Mir erscheint das als ein recht
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