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Lisa

Lisa

Titel: Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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weiteres. Habe ich aber nicht. Mir zumindest hatten sie nichts ges…
    …
    Wieso? Oder hat das mit mir was zu tun? Ich kanns nicht, aber mehr …
    …
    … die Sprache. Meine Seele. Oh, was …
    …
    … weil sie eben die drei Lehrer umgebracht hat. Ich hatte mal einen Lehrer, der war äußerst boshaft. Hat die Kinder, die gestört haben, in die erste Reihe gesetzt. Am Anfang denkt ihr euch, na gut, sitzt ihr eben in der ersten Reihe, damit er euch besser sieht. Doch der war wirklich boshaft. Er hat euch in die erste Reihe gesetzt, weil er falsche Zähne hatte, und nun hat er euch angespuckt. Er hat so flüssig geredet, dass ihr in der ersten Reihe in Deckung gehen musstet. Kein Scherz und keine Übertreibung. Er hat euch absichtlich angespuckt.
    Deshalb haben sie auch geglaubt, dass es eine Rachegeschichte von einem wahnsinnig gewordenen Schüler war. Kein ganz absurder Gedanke. Wer versenkt schon drei Lehrer miteinander in einer Kiste, und das lebendig. Noch dazu drei Lateinlehrer.
    Könnt ihr nachlesen, steht alles im Internet. Die drei Lehrer: Russland. Ich habe mich gewundert, dass in irgendeinem Dorf im Hinterural überhaupt Latein unterrichtet wird, aber es wird. An der dortigen Schule gab es drei Lateinlehrer, und alle drei landeten eines Nachts oder Tages, weiß man nicht, lebendig in einer Kiste. Einer nicht ungeräumigen Kiste, drei Meter lang, zwei breit, einen hoch. Die Ausschachtungsarbeiten müssen schön Arbeit gemacht haben, Lisa ist mit schwerem Gerät angerückt. Nahe einer Baustelle hat sie das Loch gegraben, die Lehrer versenkt und das Loch planiert.
    Wenn ihr so eine Kiste habt, wozu noch versenken, fragt ihr euch. Weil sie ein Luder ist. Die haben es nämlich in den paar Stunden, die ihnen geblieben waren, immerhin geschafft, ein Loch in die Kiste zu bohren. Arme Schweine, und dann rieselt nur Erde rein.
    …
    Gewalt in der Schule.
    Na, nicht dass das so ein Thema wäre. Alex geht in eine einigermaßen normale Schule, glaube ich. Okay, das bedeutet eigentlich, dass da rund um ihn einige Zeitbomben ticken.
    Neulich habe ich einen Artikel über den letzten Amokläufer in der Schule gelesen, in Hessen wars, glaube ich. Schauderhaft.
    Ich frage mich ja, warum das immer solche Dummköpfe sind. Denn das sind immer trübe Tassen, nicht wie man denkt, die wären alle so gescheit und unverstanden und wenden sich deshalb der Gewalt zu. Nein, so ist das nicht, von wegen der sensible Brillenträger mit der großen Klavierbegabung. Diese Amokläufer sind meistens die größten Trottel der Schule. Die werden schon zu Recht … ich meine, es hat einen Grund, warum mit denen keiner kann und keiner will. Und dann, na ja, dann ballern sie alles nieder, was anderes kriegen die nicht hin.
    …
    Also ich finde ja nicht, dass man viel gegen das Cinematic Orchestra sagen kann, was meint ihr, das ist doch richtig … das ist was, oder? Was?
    …
    Die Zusammenhänge … wir kapieren sie nicht.
    Vermutlich gibt es wirklich Wesen einer vierten oderfünften Dimension, und wir sehen sie nur nicht. Wir gehen zur Kirche und wählen und spielen Fußball und ficken und schlafen. Wir kriegen Krankheiten und ärgern uns über den Nachbarn und werden gekündigt und sehen nichts von all den Dingen, die rund um uns vorgehen.
    Da ist was. Natürlich ist da was. Aber ich bin kein Esoteriker. Ein Esoteriker glaubt, er weiß es, oder will es zumindest wissen. Ich will es nicht wissen. Mir ist es egal. Ich kann es sowieso nicht ändern.
    Ich muss noch mal in den Keller, und dann gehe ich schlafen. Gute Nacht.

 
    6
     
    … ich hier oben eingehe, ich kriege es raus. Wenn sich Bene nicht bald meldet, sterbe ich allerdings früher als gedacht. Ich kippe einfach um, weil ich mich so aufrege. Ich habe ihm zehnmal gesagt, er soll mich anrufen.
    Noch dazu hatten Alex und ich heute eine böse Auseinandersetzung. Ist auch nicht allzu verwunderlich, allein hier oben. Wir öden uns mitunter an, klar. Er mich nicht, aber ich ihn schon. Ich werde es wohl riskieren müssen, irgendwohin zu fahren und ein neues Computerspiel zu kaufen. Wenn ich es schaffe. Ich fühle mich, als hätte ich das Doppelte von meinem Gewicht. Keine Ahnung, warum. Vielleicht werde ich krank.
    Ich überlege mir seit Tagen, ob ich ihn nicht wegbringen könnte. Es fällt mir leider niemand ein, bei dem er bleiben kann. Auch niemand, bei dem er freiwillig bleiben würde.
    Zudem – wie erklärt man ihm das? Wo ich doch nicht einmal sicher weiß, dass jemand hinter mir her ist.

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