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Lisa

Lisa

Titel: Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Habe ihn jetzt weggepackt.
    Fällt mir jene Freundin von Katha ein, die letztes Jahr nach Mallorca gegangen ist. Die meinte, seit sie ihr Büro nach Fengshui eingerichtet hat, sei der Chef viel freundlicher zu ihr. Automatisch, meint sie. Und wisst ihr was? Vielleicht stimmt es sogar. Obwohl ich es für unglaublichen Quatsch halte. Wer weiß.
    Ich gehe mal zum Luftschnappen raus und versuche, Bene zu erreichen.
    …
    Diese Sternennacht heute. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, das braucht der Mensch, das muss er erleben, um die Stadt und die Zivilisation auszuhalten, hier muss er hin.
    Leider meldet sich Bene nicht. Und Hilgert sowieso nicht. Aber die Uhrzeit ist auch ein wenig extravagant.
    …
    Ich marschiere hier die Wände hoch. Ich kann jetzt nicht … ich muss …
    …
    Er kann abgesoffen sein oder es vergessen haben, aber das glaube ich nicht, er weiß, dass ich warte. Das könnte natürlich auch ein Grund sein, er könnte mich auf den Arm nehmen wollen, doch das würde eher zu Christian passen.
    Das sollte ich vielleicht nicht erzählen. Gut, es kennt ihn hier ohnehin keiner. Bei Christian haben sie in der Niere Krebs gefunden. Es sieht nicht schlecht aus. Bloß beginnt ihr euch eure Gedanken zu machen, wenn eine derartige Nachricht kommt, nicht nur als Freund. Wir sind ja noch nicht alt.
    So etwas bedrückt sehr, es ist eine Sache, die euch nicht schlafen lässt, auch wenn es ein anderer hat und nicht ihr. Ich meine, wenn der euch nahesteht.
    Vielleicht sollte man Leute mit Krebsdiagnosen bitten, möglichst lückenlos aufzuschreiben, wo sie in den vergangenen zwei, drei Jahren waren.
    Dürfte ziemlich undurchführbar sein, ich weiß. Trotzdem, sie sollten es versuchen. Damit man das alles in einen Computer einspeist, der dann daraus irgendein Muster erkennt.
    Medizinische Rasterfahndung könnte man das nennen. An den technischen Details sollte das Projekt nicht scheitern, ich bin überzeugt, ein durchschnittlicher Programmierer schreibt so ein Programm in zwei Tagen.
    Vielleicht gibt es nämlich so eine Art Insektenvertilgungsmittel für uns Menschen. Vielleicht sprüht da jemand, jemandjemandjemand!, wer auch immer, mit einem hochentwickelten,für uns nicht wahrnehmbaren Vertilger zum Beispiel auf die Besucher eines Konzerts. Müssen ja nicht alle krank werden.
    Oder bei einem Fischrestaurant am Strand geht plötzlich eine Zone auf, für ein paar Stunden, eine Zone, deren Gefahr wir nicht im mindesten registrieren, doch alle, die drin waren in den paar Stunden, die da ihren Hummer und ihre Muscheln gefuttert haben, die kriegens, die kriegen Krebs oder Schizophrenie oder eingewachsene Nägel oder was weiß ich. Und nachher ist wieder alles normal, nach den paar Stunden ist es wieder ein Lokal wie jedes andere.
    Mir ist klar, dass das Konzertbeispiel zu simpel ist, zu billig, und das mit dem Fischrestaurant, ich weiß nicht, aber könnte nicht grundsätzlich an der Überlegung etwas dran sein?
    Ich will sagen, vielleicht kommt Krebs wirklich von außen, und wir verstehen die Zusammenhänge nicht, weil wir zu unterentwickelte Lebensformen sind. Wesen aus der vierten Dimension können uns den Blinddarm herausnehmen, ohne uns aufzumachen. Also können sie uns genauso gut auch einen Tumor einsetzen. Oder nicht?
    Hör auf, da werde ich total wahnsinnig. Vor allem, weil ich gleich wieder an Lisa denken muss.
    …
    Christian auch nicht erreicht.
    Mir ist vorhin aufgefallen, dass ich meine Nase innen nicht mehr spüre. Als ich was hochgezogen habe, war da alles taub, sehr interessant. Ich hoffe, das ist nicht irreversibel.
    Na gut, und wenn schon.
    Ich drehe mal die Musik für zwei oder drei Nummern etwas lauter und melde mich hinterher. Der Junge hört das nicht, gesegneter Schlaf.
    Ein Kind sein. Ist das nicht etwas ganz Besonderes? Ich liebe ihn so sehr.
    …
    Verdammt, jetzt habe ich ein Stück Parmesan aufgeschnupft, das da lag!
    …
    So rund um seinen fünften Geburtstag hat mal irgendein Junkie auf dem Spielplatz Alex’ Rucksack mitgehen lassen, ein altes verschlissenes Ding mit Piraten drauf, in dem sechzehnmal Marmelade und Kakao und was weiß ich was ausgelaufen war. Aber er gehörte ihm, und er hing so sehr daran und an den Spielzeugautos darin. Deshalb war es eine Riesenkatastrophe für ihn, als wir nach ein paar Minuten dahin zurückgekommen sind, wo wir ihn abgestellt hatten, und das Teil war weg.
    Das müsst ihr euch einmal vorstellen. Wie kaputt jemand sein muss, der einem Fünfjährigen den

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