Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lisa

Lisa

Titel: Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
Vom Netzwerk:
Rucksack stiehlt. Der dieses Unglück in Kauf nimmt, diese Traurigkeit von so einem Kleinen, für nichts und wieder nichts, für den Rucksack und die Autos hat der keine drei Euro gekriegt.
    Ihr könnt euch wohl vorstellen, was ich mir damals dachte.
    Ich weiß schon, armer Hund, Drogen, das kann allerdings nur jemand sagen, der nicht das Gesicht meines Kleinen gesehen hat. Natürlich tut mir der Junkie leid. Das ist eine schreckliche Existenz. Bloß, in dem Moment hat mir Alex mehr leidgetan.
    …
    Das wollte ich erzählen. Über Mike, den Hünen mit der Hundekotproblematik. Mit dem hätte ich letztes Jahr nach Rom fliegen sollen. Wir haben am Flughafen schon ein bisschen gefeiert, übrigens an dem Flughafen, wo der Wachmann gearbeitet hat, den sie ohne Haut gefunden haben, Frankfurt. War der Tag von der Homoparade und den Rockern, die das Ganze gesprengt haben. Na egal.
    Was passiert? Mike geht mit einer funkelnagelneuen Thermoskanne voll Cognac mit Tee durch die Handgepäckskontrolle. Der Securitymensch sagt: Sie dürfen leider keine Flüssigkeiten mit an Bord nehmen. Ich höre diesen Satz und weiß im selben Moment, jetzt gibts ein Drama, aber wie.
    Mike schaut ihn an, schaut von weit oben runter, er stiert ihn an. Wenn mich einer so anschaut, noch dazu so einer, weiß ich Bescheid. Der Securitymitarbeiter steht ungerührt da, bleibt hart. Freundlich, aber hart. Ich bin total fasziniert von dieser Professionalität und bemerke erst einen Moment später, dass Mike nicht mehr neben mir ist, er hat umgedreht. Ich ihm hinterher, denn Zeit ist noch genug. Ein paar Ecken weiter bricht aus ihm der Wutanfall aus, den er zuvor niedergerungen hat, und er schmeißt die Kanne in den Müll.
    Ich bin so was von dämlich, ich hätte ja mitdenken und reagieren können.
    Ein paar Minuten darauf gibt es diskreten Alarm. Polizei läuft umher, man hört codierte Durchsagen, es spielt sich ab wie im Film. Wir sitzen in einer Bar hinter der Gepäckskontrolle, Bier oder Wein, ich weiß nicht mehr, wahrscheinlich Gin Tonic. Unversehens kommen ein paar Uniformierte auf uns zu. Ein Ziviler ist dabei, der zeigtauf Mike und fragt die Frau neben sich: Ist es der? Und die nickt.
    Er tritt an Mike heran und fragt: Haben Sie eine Thermoskanne weggeworfen? Mike: Sowieso. Ziviler: Kommen Sie bitte mit.
    Notgedrungen folgen wir ihm. Es stellt sich heraus, dass die Polizei längst alles abgesperrt hat, weil sie annehmen müssen, da hat jemand eine Bombe gelegt. Denn wer wirft eine neue Thermoskanne einfach in den Müll? Mitsamt Inhalt?
    Sie lassen ihn die Kanne öffnen. Alle gehen zuvor ein paar Meter zurück. Die Blicke der Polizisten, diese Kampfmienen! Mir wird klar, dass wir mitten in einem Haufen Probleme stecken. Während ich mich unentwegt für Mike entschuldige, ohne dass mir jemand zuhört, wird er immer wütender. Er schraubt die Kanne auf, fetzt den Verschluss durch die Halle und beginnt den Cognactee zu verschütten. Da! Und da! schreit er, und: Ich segne dieses Haus! oder so was in der Art.
    Einer der Polizisten geht in Stellung und zieht seine Pistole. Mir bricht der Schweiß aus. Und Mike, was tut er, er säuft in einem Zug das, was übrig ist, weg.
    Alles hätte noch gut werden können, doch nun machen die Polizisten einen Fehler. Als er absetzt, sind sie schon bei ihm und wollen ihm die Hände auf den Rücken drehen. Der erste fliegt in die Botanik vom Café daneben, der zweite kriegt einen Tritt in den Bauch, der dritte landet im Reisebüro, den vierten hat er im Schwitzkasten, als es endlich der fünfte mit dem Pfefferspray versucht, und selbst danach hat es noch eine Weile gedauert, bis sie ihn überwältigt hatten.
    Ich bin dann allein nach Rom geflogen. Aber auch erst mit der nächsten Maschine. Waren sogar so freundlich, mich umzubuchen. Mike hat einen Wahnsinnsverteidiger gehabt, der den Staatsanwalt mit seinem Terrorismus und seinem Widerstand gegen die Staatsgewalt hat auflaufen lassen, und zudem konnten sich der Richter und der Staatsanwalt nicht riechen, das war Mikes Glück. Zwei Monate bedingt auf drei Jahre hat er nur gekriegt, mit der Auflage, ein Aggressionsabbauseminar zu besuchen.
    …
    Ich musste gerade daran denken, dass die Leute, mit denen wir es damals am Flughafen zu tun hatten, vermutlich sogar Kollegen von diesem Wachmann waren und somit Menschen, die damit leben mussten, dass einer von ihnen auf so furchtbare Art umgebracht worden ist. Was soll man sagen. Haut abziehen, das ist vollkommen jenseitig.
    Dem

Weitere Kostenlose Bücher