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Lisa

Lisa

Titel: Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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ich zwischen uns oder so nah bei uns mein Kind weiß. Es überwiegen schlicht die Zärtlichkeitsgefühle. Das ist etwas Schönes, ich will das nicht schlechtreden. Aber geil wird man abends im Schlafzimmer nicht mehr so schnell.
    …
    Na jedenfalls geht Greta in die Geburtsklinik. Nach ein paar Tagen bekommt Katha einen Anruf von ihr, sie kann vorbeikommen und sich das Baby anschauen. Katha spaziert hin, läutet an, Haustür geht auf, sie fährt mit dem Lift hoch. Die Tür ist nur angelehnt, Greta nicht zu sehen. Katha geht rein. In die Küche oder ins Wohnzimmer, was weiß ich, jedenfalls steht sie gleich vor der Wiege. Keine Greta weit und breit, und in der Wiege – was? Na was ist in der Wiege? Eine Puppe!
    Bei Katha läuten alle Alarmglocken. Ihr Gedanke: Bei der Geburt ist etwas schiefgegangen. Greta hat das Kind verloren und damit auch den Verstand. Und jetzt karrt sieeine Puppe durch die Welt. Die ist durchgeknallt und Mutter einer Puppe und fertig und Schluss ist mit ihr.
    Das denkt also Katha einige Sekunden lang, und sie überlegt auch, ob sie einen Arzt anrufen soll. Doch dann kommt endlich Greta herein, sie war auf dem Klo, und genau in diesem Moment beginnt die Puppe so zu schreien, dass die Fensterscheiben zittern. Es war natürlich keine, es war nur ein sehr kleines, zartes Baby. Typisch Katha.
    …
    Bene. Ein Mensch von fragwürdigen Ansichten. Der hat bis vor kurzem doch glatt geglaubt, dass homosexuelle Männer es miteinander von vorn treiben, in Missionarsstellung, und der passive Part dadurch zu seiner Befriedigung kommt, dass sein Schwanz zwischen den Bäuchen gerieben wird. Ich habe in der Hinsicht zwar auch keine praktischen Erfahrungen, aber ich weiß zumindest, dass das in der Regel anders abläuft.
    Bitte, nicht dass das besonders wichtig wäre. Außerdem wollte ich die Sexgeschichten lassen. Aber Lisa, Lisa, immer nur Lisa, man muss doch mal einen Kontrapunkt setzen.
    Diese Ärztin von Ärzte ohne Grenzen fällt mir ein, deren Interview ich gelesen habe. Sie hatte in einem kleinen Interview davor etwas gesagt, was ihr hinterher leidtat, weil sich alle draufstürzten. Sie war gefragt worden, wie man einen solchen Einsatz in einem Krisengebiet verkraftet, wie helfen sich die Helfer, und sie antwortete, mit Sex. Das wurde groß aufgebauscht, was ihr ziemlich peinlich war, insbesondere weil es ihrem Mann nicht gefiel. Aber in dem zweiten Interview, in jenem, das ich gelesen habe, sagte sie, sie kann da nichts zurücknehmen, auch wenn es ihr jetzt unangenehm ist, denn es ist nun mal die Wahrheit. Wennman jeden Tag zehn Patienten verliert, wenn da immer nur Tod ist, muss man sich am Sex festhalten, weil Sex ist Leben. Ziemlich genau so sagte sie es. Und ich verstehe sie. Tolle Frau. Schade, dass die nicht hier ist.
    Ich frage mich nur bis heute, wen sie gefickt hat, niederländische Zivildiener? Britische Anästhesisten? Oder doch den afrikanischen Schulwart?
    Ich habe ein Foto von ihr gesehen. Super-MILF. Ach so, das muss ich wohl erklären, ein Begriff aus nordamerikanischen Pornoproduktionen, eine MILF ist eine Mother I Like to Fuck. Dieser, na ja, ziemlich treffende Begriff bezeichnet attraktive Frauen um die fünfunddreißig, egal ob die Kinder haben oder nicht. Für manche Phänomene gibt es eben keine kinderstubentaugliche Definition.
    Apropos, ich frage mich bis heute, wie man das männliche Geschlechtsteil nennen soll. Penis? Dein Penis, mein Penis, sein Penis, das ist ja fürchterlich, steriler geht es nicht.
    Glied? Da lachen ja die Hunde. Mein Glied! Also nein, so ein Scheiß, es gibt schlichtweg keine andere Bezeichnung als Schwanz. Ich denke, man muss dieses Wort durch häufige Verwendung in neutralem Sprachumfeld devulgarisieren. Oje, ob das alles noch klar …
    …
    Die MILF von Ärzte ohne Grenzen. Ich fand sie toll, und Katha war wie meistens anderer Meinung, die war komischerweise auf der Seite des Ehemanns, der gemeint hat, das hätte sie ihm vorher sagen können, dass sie sich dort alle in die Büsche schlagen.
    Das hat sie mir tagelang um den Kopf geknallt, Katha meine ich. Immer wieder fing sie damit an, was das für eine kranke Moral sei et cetera pp. Ich bin ständig die Wändehoch, weil sie mit diesen Geschichten vorzugsweise am Morgen angekommen ist, Samstag oder Sonntag am besten, aber auch unter der Woche. Diese Gespräche sind immer ausgeartet, in Grundsatzdiskussionen über Liebe und Treue und Partnerschaft. Dann weiter zu Alltagssorgen, und so landet ihr, na ja,

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