Literaturgeschichte der USA
aufgegriffen hat. Er verwendet z.B. in seinem Roman
The Blithedale Romance
(1852) eines der real existierenden utopischen Gemeinschaftsexperimente der Transzendentalisten – die sogenannte Brook Farm – als Handlungsort für seine schlüsselromanartige Abrechnung mit dem gesellschaftspolitischen Umsetzungsversuch transzendentalistischen Ideenguts. So findet sich etwa die Transzendentalistin Margaret Fuller in der Figur der feministischen Zenobia im Roman wieder. Wie in einem Großteil seines Œuvres zeichnet sich auch hier wieder eine autobiographische Dimension ab: Hawthorne hatte selbst Zeit in der Brook Farm-Kommune verbracht und diese transzendentalistische Erfahrung literarisch kritisch hinterfragt.
V. American Renaissance
Kaum vom Transzendentalismus zu trennen sind die Vertreter der sogenannten American Renaissance – einer Epoche, deren Bezeichnung der bekannte Literaturwissenschaftler F. O. Matthiessen für die großen Meisterwerke der amerikanischen Literatur um die Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt hat. Oft werden auch Emerson, Hawthorne und Thoreau zur American Renaissance gezählt; andererseits werden aber auch Autoren wie
Herman Melville
(1819–1891) gerne den Transzendentalisten zugeordnet, weil ihre Romane und Kurzgeschichten vielfältig auf transzendentalistisches Gedankengut Bezug nehmen. Als Sohn eines in den Bankrott geschlitterten Kaufmanns lernte Melville bereits mit 15 Jahren beruflich auf eigenen Füßen zustehen und seine Familie finanziell zu erhalten. Mit 19 fuhr er zur See und verbrachte mehrere Jahre auf einem Walfänger in der Südsee. Die Erfahrungen dieser Seereisen stellen den teilweise autobiographischen Hintergrund seiner frühen Romane dar.
Bereits sein erster Roman
Typee
(1846) wurde zum größten literarischen Erfolg seiner Laufbahn als Schriftsteller. Melville erzählt hier die Geschichte des Matrosen Tommo, der sich nach seiner Flucht von einem unmenschlich geführten Schiff zu einem kannibalistischen Stamm auf eine Insel der Marquesas durchschlägt. Dort wird er freundlich in die Typee-Stammesgemeinschaft aufgenommen und verbringt mehrere Monate in einer Beziehung mit einer Südseeschönheit. Überschattet wird die paradiesische Eintracht dieses Idylls durch die latent lauernde Gefahr des Kannibalismus und durch den Zwang, sich durch Gesichts- und Ganzkörpertätowierung völlig in die Kultur des Typee-Stammes zu integrieren. Diese Ängste bewegen Tommo schließlich, die Flucht zu ergreifen und in die westliche Welt zurückzukehren.
In der Darstellung der Tätowierungen, die Melville von seinem Aufenthalt auf den Marquesas-Inseln kannte, wird eine wichtige Dimension von Melvilles Werk im Allgemeinen bereits in seinem Erstlingsroman greifbar. Es handelt sich hierbei um Melvilles ambivalente persönliche Einstellung zur Andersartigkeit in kultureller, aber auch in sexueller Hinsicht. Der Icherzähler ist auf vielfältige Weise von der Kultur der Typee angezogen und zugleich abgestoßen. In diesem kulturellen Umfeld der Andersartigkeit wird beim Icherzähler immer wieder eine homoerotische Neigung spürbar, die scheinbar nur in diesem fremdartigen kulturellen Kontext an die Oberfläche treten kann. Dies drückt sich meist in einer unterschwelligen Wortwahl des Icherzählers aus, wenn er mit Männern dieser Fremdkulturen interagiert und sich plötzlich in die Rolle einer sexuell begehrenswerten Frau oder, wie Melville es in einer Passage in
Typee
ausdrückt, einer «belle of the season»[ 49 ], begibt. Diese homoerotische Dimension von Melvilles Denken wird in der Forschung auch mit seinem vergeblichen Bemühen um die persönlicheAnerkennung durch Hawthorne in Verbindung gebracht.
In dem erst Jahre nach seinem Tod erfolgreichen Roman
Moby Dick
(1851) werden die Ingredienzien seiner frühen Romane weiter verarbeitet: das Seefahrt-Umfeld, der Kulturkontakt, die für die Transzendentalisten charakteristische Auseinandersetzung mit der Natur und, typisch für Melville, eine geschlechtsexperimentelle Komponente. Die Geschichte wird vom Matrosen Ishmael erzählt, der auf einem Walfänger unter dem mysteriösen Captain Ahab anheuert. Ahab ist, so stellt sich auf hoher See heraus, besessen von dem Gedanken, sich an dem weißen Wal Moby Dick zu rächen, der ihm bei einer früheren Begegnung ein Bein geraubt hat. Die als kommerzielle Walfangexpedition geplante Fahrt wird zur Verfolgungsjagd durch die Weltmeere, die im Kampf Ahabs gegen Moby Dick gipfelt, bei dem Ahab vom Wal in
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