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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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die Geräusche, die sie machten, erinnerten mich daran, wie es war, als Nkiruka und ich endgültig unser Dorf verließen.
    Wir schlossen uns einer Gruppe von Frauen und Mädchen an und wir liefen eines Morgens in den Dschungel und wir gingen, bis es dunkel war, und dann legten wir uns neben dem Weg schlafen. Wir wagten es nicht, Feuer zu machen. In der Nacht hörten wir Schüsse. Wir hörten Männer wie Schweine kreischen, die im Käfig darauf warten, dass man ihnen die Kehle durchschneidet. In jener Nacht war Vollmond, und ich hätte nicht mehr Angst haben können, wenn der Mond den Mund geöffnet und zu kreischen angefangen hätte. Nkiruka hielt mich ganz fest. Es waren auch Babys in unserer Gruppe, und einige wachten auf und mussten etwas vorgesungen bekommen, damit sie sich wieder beruhigten. Am Morgen stand eine hohe, böse Rauchsäule über den Feldern, wo unser Dorf war. Der Rauch war schwarz und kräuselte sich und stieg brodelnd in den blauen Himmel. Einige ganz kleine Kinder in unserer Gruppe fragten, woher der Rauch kam, und die Frauen lächelten und sagten: Das ist nur der Rauch eines Vulkans, meine Kleinen. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Und ich sah, wie das Lächeln ihre Gesichter verließ, als sie sich von den Augen ihrer Kinder abwandten und wieder den blauen Himmel anstarrten, der sich mit Schwarz füllte.
    »Alles klar mit dir ?«
    Albert schaute mich an. Ich blinzelte. »Ja. Danke, Mister. «
    »Träumst mit offenen Augen, was ?«
    »Ja, Sir.«
    Albert schüttelte lachend den Kopf. »Also ehrlich, ihr jungen Leute. Mit dem Kopf in den Wolken.«
    Er schloss den großen Schuppen auf und ließ uns hinein. Drinnen standen zwei Reihen Betten, eine an jeder Wand. Die Betten waren aus Metall und dunkelgrün gestrichen.
    Darauf lagen saubere weiße Matratzen und Kissen ohne Kissenbezug. Der Boden war aus grau gestrichenem Beton, glänzend und sauber gewischt. Das Sonnenlicht fiel in breiten Streifen durch die Oberlichter. Von der Decke hingen lange Ketten in Schlaufen. Sie reichten bis zum Dach, das in der Mitte des Gebäudes so hoch wie fünf Mann war. Albert zeigte uns, wie man an einer Seite der Schlaufe zog, um das Oberlicht zu öffnen, und es mit der anderen Seite wieder schloss. Er zeigte uns die Kabinen am Ende des Gebäudes, in denen wir duschen oder auf die Toilette gehen konnten. Dann zwinkerte er uns zu.
    »Bitte schön, die Damen. Ist nicht gerade das Grandhotel, aber zeigt mir mal ein Hotel, in dem man sich einfach so zwanzig polnische Mädchen aufs Zimmer holen kann. Ihr solltet mal sehen, was manche von den Erntehelfern treiben, sobald das Licht aus ist. Ich sag euch, ich sollte mit dem Vieh aufhören und einen Film drehen.«
    Albert lachte, aber wir Mädchen standen nur da und schauten ihn an. Ich verstand nicht, wieso er über Filme redete. In meinem Dorf gingen die Männer jedes Jahr, wenn der Regen aufgehört hatte, in die Stadt und brachten einen Projektor und einen Dieselgenerator mit, und dann banden sie ein Seil zwischen zwei Bäume, und wir schauten uns auf einem weißen Bettlaken einen Film an. Der Film hatte keinen Ton, man hörte nur das Rumpeln des Generators und das Lärmen der Tiere im Dschungel. So lernten wir etwas über eure Welt. Der einzige Film, den wir hatten, hieß Top Gun, und wir schauten ihn fünfmal an. Ich erinnere mich, wie wir ihn das erste Mal sahen. Die Jungen in meinem Dorf waren aufgeregt, weil sie dachten, der Film hätte mit Waffen zu tun, aber es ging nicht um eine Waffe. Es war ein Film über einen Mann, der überall sehr schnell hinfahren musste, manchmal auf einem Motorrad und manchmal in einem Flugzeug, das er selbst lenkte, manchmal auch auf dem Kopf. Wir Kinder im Dorf diskutierten darüber und stellten zwei Dinge fest: zum einen, dass der Film eigentlich Der Mann, der es furchtbar eilig hatte heißen müsste, und zum anderen, dass er, um alles zu erledigen, was er vorhatte, lieber früher aufstehen sollte, statt mit der Frau mit den blonden Haaren, die wir die »Bleibt-im-Bett-Frau« nannten, im Bett zu liegen. Es war der einzige Film, den ich je gesehen hatte, und daher verstand ich nicht, was Albert meinte, als er davon sprach, einen Film zu drehen. Er sah nicht aus, als könnte er ein auf dem Kopf stehendes Flugzeug lenken. Mir war aufgefallen, dass Mr. Ayres ihn nicht mal seinen blauen Traktor lenken ließ. Albert merkte, dass wir Mädchen ihn anstarrten, und schüttelte den Kopf.
    »Ach, egal«, sagte er. »Da drüben sind Decken und

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