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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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meine Zelle und wickelte den Stoff von meinen Brüsten und atmete tief durch. Dann streifte ich die schweren Stiefel ab und zog die Knie bis unters Kinn. Einmal in der Woche setzte ich mich auf die Schaumstoffmatratze meines Bettes und lackierte mir die Zehennägel. Ich hatte das Fläschchen ganz unten in einem Spendenkarton gefunden. Das Preisschild klebte noch drauf. Sollte ich jemals dem Menschen begegnen, der es gespendet hat, werde ich ihm sagen, dass er mir für ein britisches Pfund und neunundneunzig Pence das Leben gerettet hat. Denn das tat ich an jenem Ort, um mich daran zu erinnern, dass ich unter all den Sachen noch am Leben war: Ich trug unter meinen stählernen Schuhkappen leuchtend roten Nagellack. Wenn ich die Stiefel auszog, musste ich manchmal die Augen zukneifen, um nicht zu weinen, und wiegte mich hin und her und zitterte vor Kälte.
    Meine große Schwester Nkiruka wurde in der Vegetationsperiode unter der afrikanischen Sonne zur Frau, und wer kann es ihr verdenken, dass die große, rote Hitze dieser Zeit sie schwindlig und kokett machte ? Wer hätte sich nicht gegen den Türpfosten seines Hauses gelehnt und mit leiser Nachsicht gelächelt, als meine Mutter sie beiseite nahm, um ihr zu sagen: Nkiruka, Liebes, du darfst die großen Jungen nicht so anlächeln?
    Ich hingegen wurde eine Frau unter weißen Neonröhren, in einem unterirdischen Raum in einem Abschiebegefängnis sechzig Kilometer östlich von London. Dort gab es keine Jahreszeiten. Es war kalt, kalt, kalt, und ich hatte niemanden, den ich anlächeln konnte. Diese kalten Jahre sind in mir eingefroren. Das afrikanische Mädchen, das sie ins Abschiebegefängnis sperrten, das arme Kind, ist nie wirklich entkommen. In meiner Seele ist es noch immer dort eingeschlossen, auf ewig, unter dem Neonlicht, zusammengerollt auf dem grünen Linoleum, die Knie ans Kinn gezogen. Und die Frau, die sie aus dem Abschiebegefängnis entließen, das Geschöpf, das ich heute bin, ist eine neue Menschenart. An mir ist nichts Natürliches. Ich wurde in Gefangenschaft geboren - nein, wiedergeboren. Ich lernte meine Sprache aus euren Zeitungen, bekam eure abgelegten Kleider, und es ist euer Pfund, das schmerzhaft in meiner Tasche fehlt. Stellt euch eine junge Frau wie aus einer lächelnden Anzeige für Save the Children vor, die fadenscheinige rosa Kleider aus dem Container auf dem Parkplatz eures Supermarktes trägt und Englisch wie der Leitartikel der Times spricht. Also, ich würde die Straßenseite wechseln. Das ist wohl das Einzige, worin sich die Leute aus eurem Land und die Leute aus meinem Land einig wären. Sie sagen: Dieses Flüchtlingsmädchen gehört nicht zu uns. Es gehört nirgendwohin. Das Mädchen ist ein Halbling, der Spross einer unnatürlichen Paarung, ein fremdes Gesicht im Mond.
    Na gut, ich bin also ein Flüchtling und sehr einsam. Ist es meine Schuld, dass ich nicht wie ein englisches Mädchen aussehe und nicht wie eine Nigerianerin spreche? Wer sagt denn, ein englisches Mädchen müsste eine Haut haben, die so blass ist wie die Wolken, die durch ihre Sommer schweben? Wer sagt denn, ein nigerianisches Mädchen müsste gebrochenes Englisch sprechen, als wäre das Englische hoch oben in der Atmosphäre mit Ibo zusammengestoßen und ihr in einem Schauer in den Mund geregnet, der sie fast ertränkte, worauf sie süße Geschichten von den bunten Farben Afrikas und dem Geschmack gebratener Kochbananen herauswürgt? Nicht wie eine Geschichtenerzählerin, sondern wie ein Überschwemmungsopfer, das aus der Flut gerettet wird und das koloniale Wasser aus den Lungen hustet?
    Ich bitte um Entschuldigung, dass ich eure Sprache richtig gelernt habe. Ich bin hier, um euch eine wahre Geschichte zu erzählen. Ich bin nicht gekommen, um von den bunten Farben Afrikas zu sprechen. Ich bin eine wiedergeborene Bürgerin der Dritten Welt und werde euch beweisen, dass Grau die Farbe meines Lebens ist. Und sollte ich insgeheim doch gebratene Kochbananen lieben, muss das unter uns bleiben. Ich bitte euch, erzählt es niemandem, okay?
    An dem Morgen, an dem sie uns aus dem Abschiebegefängnis entließen, gaben sie uns all unsere Besitztümer mit. Ich hatte meine in einer durchsichtigen Plastiktüte. Ein Collins-Taschenwörterbuch, ein Paar graue Socken, eine graue Unterhose, einen britischen Führerschein, der nicht mir gehörte, und eine wasserfleckige Visitenkarte, die auch nicht mir gehörte. Wenn ihr es genau wissen wollt, die Sachen gehörten einem weißen Mann

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