Little Brother
Aktentaschen. Morgens um acht war das Civic Center der Nabel der Geschäftswelt.
Und jetzt kamen die Vampire. Ein paar Dutzend aus Richtung Van Ness, ein paar Dutzend von Market Street. Noch mehr von der anderen Seite von Market. Sie glitten an den Gebäuden entlang mit weißer Gesichtsfarbe und schwarzem Eyeliner, schwarzen Klamotten, Lederjacken, enorm schweren Stiefeln und fingerlosen Netzhandschuhen.
Sie begannen die Plaza zu füllen. Einige der Geschäftsleute warfen ihnen kurze Blicke zu und wandten sich dann wieder ab; wollten wohl diese Irren nicht in ihre persönliche Realität eindringen lassen, in der es nur darum ging, durch welchen Mist sie sich in den kommenden acht Stunden wieder zu wühlen hatten. Die Vamps stromerten rum, unsicher, wann das Spiel losgehen würde. Sie sammelten sich in großen Gruppen, wie ein umgekehrter Ölteppich, alles Schwarz sammelte sich an einem Fleck. Viele von ihnen trugen altmodische Hüte, Melonen, Museumsstücke. Und viele der Mädchen hatten sich mit grausig-eleganten Lolitakostümen und enormen Plateausohlen aufgebrezelt.
Ich versuchte ihre Zahl zu schätzen. 200. Fünf Minuten später waren wir bei 300, 400. Und es kamen immer noch welche. Die Vampire hatten Freunde mitgebracht.
Jemand packte mich am Po. Ich wirbelte herum und sah Ange, die sich vor Lachen schüttelte.
"Sieh dir das an, Mann, sieh dir die alle an!", staunte sie. Der Platz war jetzt doppelt so bevölkert wie noch vor wenigen Minuten. Ich wusste nicht, wie viele Xnetter es insgesamt gab, aber mindestens 1000 von ihnen waren gerade bei meiner kleinen Party erschienen. Allmächtiger.
Die DHS- und SFPD-Bullen setzten sich in Bewegung, sprachen in ihre Funkgeräte und gruppierten sich. Ich hörte von fern eine Sirene.
"Na gut", sagte ich und schüttelte Ange am Arm. "Okay, los gehts." Wir verschwanden beide in der Menge, und sobald wir unseren ersten Vamp trafen, sagten wir beide laut "Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!" Mein Opfer war ein fassungsloses, süßes Mädchen, das sich Spinnweben auf die Arme gemalt hatte und dem das Mascara bereits die Wangen herablief. Sie sagte "Mist" und zog sich zurück, als sie erkannte, dass ich sie erwischt hatte.
Der Ruf "Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!" hatte die Vampire in der Nähe in Bewegung versetzt. Einige stürzten sich gleich auf die anderen, andere suchten nach Deckung. Für diese Minute hatte ich mein Opfer, deshalb schlich ich mich davon, Irdische als Deckung benutzend. Überall um mich herum nun "Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!", Rufe, Gelächter, Flüche.
Das Geräusch verbreitete sich wie ein Virus in der Menge. Alle Vampire wussten jetzt, dass das Spiel im Gange war, und die, die sich zu Grüppchen versammelt hatten, fielen jetzt wie die Fliegen. Sie lachten, schimpften und wechselten ihren Standort, um Neuankömmlingen mitzuteilen, dass das Spiel lief. Und neue Vamps kamen immer noch sekündlich dazu.
8:16. Es war Zeit für mich, wieder einen zu erwischen. Ich duckte mich und wuselte zwischen den Beinen der Normalos durch, die unterwegs zu den Treppen zur BART waren. Sie schreckten erstaunt zurück und versuchten mir auszuweichen. Meine Blicke waren völlig fixiert auf ein Paar schwarzer Plateaustiefel mit stählernen Drachen auf den Zehenkappen, deshalb war ich nicht drauf vorbereitet, einem anderen Vampir plötzlich Auge in Auge gegenüberzustehen - einem Typen von vielleicht 15 oder 16 Jahren, der das Haar glatt zurückgegelt hatte und eine Marilyn-Manson-PVC-Jacke trug, dazu Halsketten mit falschen Stoßzähnen, in die komplizierte Symbole eingraviert waren.
"Beißen Beißen Beißen...", begann er, als einer der Irdischen über ihn stolperte und sie sich beide langmachten. Ich sprang rüber zu ihm und rief "Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!", bevor er sich wieder losmachen konnte.
Immer mehr Vampire kamen dazu. Die Anzüge wurden allmählich echt nervös. Das Spiel schwappte nun über den Bürgersteig in Van Ness rein und breitete sich Richtung Market Street aus. Autofahrer hupten, und die Straßenbahnen ließen wütendes Klingeln vernehmen. Ich hörte weitere Sirenen, aber mittlerweile war der Verkehr in alle Richtungen zum Erliegen gekommen.
Es war verdammt glorreich.
Beißen Beißen Beißen Beißen Beißen!
Der Ruf kam jetzt von überall her. Es waren so viele Vampire, und sie spielten so leidenschaftlich, dass es ein monströses Getöse war. Ich riskierte es, aufzustehen und mich umzuschauen, und
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