Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
Schutzschilden, Helmen und Masken zu. Als wir näher kamen, versuchten sie uns den Weg zu versperren, aber Masha hielt eine Marke hoch, und sie wichen zurück, als sei sie Obi Wan Kenobi, wenn er sagt, "Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht".
    "Du gottverdammtes Miststück", sagte ich, als wir Market Street raufhetzten. "Wir müssen zurückgehen, um Ange zu holen."
    Sie spitzte die Lippen und schüttelte den Kopf. "Tut mir echt Leid für dich, Kumpel. Ich hab meinen Freund jetzt schon Monate nicht gesehen. Der denkt wahrscheinlich, ich bin tot. Kriegsschicksale. Wenn wir für deine Ange zurückgehen, sind wir tot. Wenn wir weiterlaufen, haben wir eine Chance. Und wenn wir eine Chance haben, hat sie auch eine. Diese Kids kommen nicht alle nach Gitmo. Die werden wohl ein paar hundert zum Befragen dabehalten und den Rest heimschicken."
    Wir liefen weiter Market Street hoch und kamen jetzt an den Strip-Lokalen vorbei, wo auch die Penner und Junkies ihre kleinen Lager aufgeschlagen hatten, die wie offene Klohäuschen stanken. Masha führte mich zu einer Nische im verschlossenen Eingang einer dieser Striptease-Höhlen. Sie zog ihre Jacke aus und wendete sie - das Futter war ein gedämpftes Streifenmuster, und durch die umgedrehten Nähte fiel die Jacke jetzt auch anders. Aus der Tasche zog sie eine Wollmütze hervor, die sie so über ihr Haar zog, dass es eine kecke seitliche Ausbuchtung ergab. Dann holte sie ein paar Abschmink-Tücher heraus und bearbeitete ihr Gesicht und die Fingernägel. Einen Moment später war sie eine andere Frau.
    "Kleidung wechseln", sagte sie. "Jetzt du. Schuhe aus, Jacke aus, Mütze aus." Ich verstand, was sie meinte. Die Bullen würden ziemlich sorgfältig nach jedem Ausschau halten, der aussah, als könnte er beim VampMob dabeigewesen sein. Die Mütze warf ich gleich weg - diese Sorte Caps hatte ich eh nie leiden können. Dann stopfte ich die Jacke in meine Tasche und holte ein Langarmshirt mit Rosa-Luxemburg-Aufdruck heraus, das ich über mein schwarzes T-Shirt zog. Ich ließ Masha mein Make-up und den Nagellack abwischen, und ruckzuck war ich sauber.
    "Schalt dein Handy aus", sagte sie. "Irgendwelche RFIDs dabei?" Ich hatte meinen Studentenausweis, meine Geldautomatenkarte und den Fast Pass. Alles wanderte in einen silbernen Beutel, den sie mir hinhielt und den ich als strahlendichten Faraday-Beutel erkannte. Aber als sies in ihre Tasche steckte, dämmerte mir, dass ich ihr gerade meine gesamte Identifikation anvertraut hatte. Wenn sie nun auf der gegnerischen Seite war?
    Allmählich wurde mir auch die Tragweite dessen bewusst, was gerade passiert war. Ich hatte mir ausgemalt, dass Ange in diesem Moment bei mir sein würde. Mit Ange wären wir zwei gegen eine. Ange würde mir helfen, zu merken, ob irgendwas faul war. Ob Masha nicht die war, als die sie sich ausgab.
    "Steck diese Kiesel in deine Schuhe, bevor du sie wieder anziehst."
    "Nicht nötig. Ich hab mir den Fuß verstaucht. Kein Schritterkennungsprogramm wird mich jetzt erkennen."
    Sie nickte einmal, zwei Profis unter sich, und schleuderte ihre Tasche über. Ich schnappte mir meine, und weiter gings. Gesamtzeit für den Wechsel war weniger als eine Minute gewesen, und wir sahen aus und liefen wie zwei andere Menschen.
    Sie schaute auf die Uhr und schüttelte den Kopf. "Komm schon", sagte sie, "wir müssen zu unserem Treffpunkt. Komm aber ja nicht auf die Idee wegzurennen. Du hast jetzt die Wahl zwischen mir und dem Knast. Die werden ein paar Tage brauchen, um die Aufzeichnungen vom Mob zu analysieren, aber wenn sie damit durch sind, wandert jedes Gesicht in eine Datenbank. Unser Verschwinden wird bemerkt werden. Wir sind jetzt beide gesuchte Kriminelle."
    [x]
    Am nächsten Block bogen wir von Market Street ab und liefen Richtung Tenderloin zurück. Diese Ecke kannte ich. Hier war es, wo wir das offene WLAN gesucht hatten, an diesem Tag, als wir Harajuku Fun Madness spielten.
    "Wohin gehen wir?", fragte ich.
    "Wir trampen. Halt die Klappe, ich muss mich konzentrieren." Wir hatten Tempo drauf, und Schweiß floss mir übers Gesicht, den Rücken runter, durch die Po-Ritze und über die Schenkel. Mein Fuß tat heftig weh, und die Straßen von San Francisco rauschten an mir vorbei, vielleicht zum letzten Mal für immer.
    Es machte die Sache auch nicht besser, dass wir ständig bergauf stampften, dorthin, wo das schäbige Tenderloin den Luxusimmobilien von Nob Hill weicht. Ich atmete in abgerissenen Japsern. Sie lotste uns zumeist durch

Weitere Kostenlose Bücher